von Horst Köhler, Friedberg


Einleitung

Vor allem wild lebende Europäische Landschildkröten, aber auch tropische Arten, machen in ihren Vorkommensgebieten in Süd- und Südosteuropa auch an heißen Sommertagen nie sehr lange Sonnenbäder: Während der heißesten Tageszeit ziehen sie sich für mehrere Stunden in den Halb- oder Vollschatten des Gestrüpps oder unter überhängende Grasbüschel zurück, an Stellen also, an denen die Feuchtigkeit höher ist als auf dem freien, sonnenbestrahlten Terrain. Nachts und am Morgen ist außerdem die Feuchtigkeit immer höher als tagsüber und auch ab dem Spätnachmittag bringt zunehmende Bewölkung häufig feuchte Luft mit sich, vor allem bei den Schildkrötenbiotopen, die in der Nähe von Meeren gelegen sind. Und ab und regnet es schließlich auch in Ländern wie Südfrankreich, Italien, Griechenland, der Türkei, Bulgarien und Rumänien, selbst im Sommer. Konkrete und verlässliche Messungen der Feuchtigkeit an den bevorzugten Aufenthaltsorten von frei lebenden Landschildkröten gibt es allerdings bisher nur vereinzelt (siehe u.a. Horst Köhler: „Feuchtigkeitsmessungen im Mikrohabitat der Maurischen Landschildkröte in der Südtürkei“, SACALIA 9, Jahrgang, Heft 33, November 2011).

Während die von Liebhabern gehaltenen Landschildkröten im Sommer im strukturierten und bepflanzten Gartengehege ähnlich wie in der Natur während eines vollen Tages unterschiedlichen Feuchtigkeitswerten ausgesetzt sind, sieht es in den Innengehegen und in manchen Terrarien ganz anders aus. Dort brennen teilweise zu starke Lampen acht bis zehn Stunden lang auf die Tiere und den Bodengrund (siehe UVB-Fachartikel in dieser Website). Letzterer trocknet rasch und vollständig aus, und selbst gelegentliches Wassersprühen, das man vor allem bei der Pflege der noch sehr feuchtigkeitsliebenden Jungschildkröten öfters wiederholen sollte, erhöht die Bodenfeuchte nur kurzzeitig. Dann kann es durchaus vorkommen, dass sich die nachts im trockenen Substrat eingegrabenen Schildkröten Schleimhautreizungen durch den staubförmigen Untergrund zuziehen.

Wie wenig wirksam ein Anfeuchten selbst durch eine vermeintlich größere Wassermenge sein kann, zeigt folgendes Beispiel: an einem heißen und sonnigen Tag im August feuchtete ich die etwa 30 cm hohe, größtenteils aus Rindenmulch bestehende Substratschicht meiner etwa 1 m2 großen Schildkröten-Schutzhütte im Freigehege mit 15 l Wasser aus der Gießkanne an. Als ich sofort danach untersuchte, bis zu welcher Tiefe das Substrat feucht geworden war, musste ich erstaunt feststellten, dass fast die gesamte untere Hälfte des Bodengrundes nach wie vor staub-trocken war.

Was man unter Feuchtigkeit (Feuchte) versteht
Deshalb kann der Einsatz von Luftbefeuchtern, z.B. des im 1. Artikelteil getesteten „Super Fog“ von Lucky Reptile (siehe den unten stehenden Beitrag in dieser Rubrik), in den vor allem in den Übergangszeiten besetzten Schildkröten-Innengehegen ein behaglicheres, nämlich weniger trockenes Klima schaffen. Aber wie viel bringt so ein Gerät tatsächlich? Und wie kann man den Tagesverlauf der Feuchtigkeit am Boden messen? Was ist Feuchtigkeit überhaupt?

Neben der absoluten Feuchtigkeit, die angibt, wie viel Gramm Wasserdampf in 1 m3 Luft bei einer bestimmten Temperatur enthalten sind, ist zur Angabe des Feuchtezustandes meist die relative Feuchtigkeit (= relative Feuchte) üblich. Sie wird in Prozent angegeben und ist das Verhältnis des tatsächlich vorhandenen Wasserdampfgehaltes zum höchst möglichen Wasserdampfgehalt (bei einer bestimmten Temperatur und einem bestimmten Druck). 100 % relative Feuchte bedeutet, dass die Luft vollkommen mit Wasserdampf gesättigt ist. Dies ist der Fall z.B. bei starkem Nebel, bei Regen oder in einem Dampfbad. Null % relative Feuchte dagegen hat völlig trockene Luft (z.B. Wüstenregion bei extrem starker Sonneneinstrahlung). Da der maximal mögliche Wasserdampfgehalt der Luft mit steigender Temperatur zunimmt, sinkt die relative Feuchte mit steigender Temperatur. Um Messwerte der relativen Feuchtigkeit überhaupt miteinander vergleichen zu können, ist deshalb die zusätzliche Angabe der gemessenen Temperatur wichtig.

Umrechnung für Spezialisten
Relative und absolute Feuchtigkeiten können mit Hilfe der temperaturabhängigen Wasserdampf-Sättigungsmenge umgerechnet werden. Für ein einfaches Rechenbeispiel verwende ich hier von mir in der Südtürkei Ende Mai an einem heißen wolkenlosen Tag während der Mittagszeit gemessenen relativen Feuchten und Temperaturen:
(a) direkt neben einer im Halbschatten dösenden Maurischen Landschildkröte und, als Vergleich,
(b) etwa 1 m weiter an einem voll sonnenbeschienenen Platz.

Die relative Feuchte von 57 % an der im Halbschatten bei 30 °C (Wasserdampf-Sättigungsmenge = 30,3 g/m3) ruhenden Landschildkröte entspricht einer absoluten Feuchtigkeit von 0,57 x 30,3 = 17,3 g/m3 .

Die 1 m weiter an der vollen Sonne gemessene relative Bodenfeuchte von nur 27 % bei allerdings 45 °C Bodentemperatur (Sättigungsmenge = 60 g/m3) bedeutet 0,27 x 60 = 16,2 g Wasserdampf je m3 Luft. Der Unterschied in der absoluten Feuchte beträgt nur knapp 7 %, ist also wesentlich geringer als der Unterschied der beiden gemessenen relativen Feuchten.

Hygrometer1kleinBild 1: Einige der für meine Feuchtigkeitsmessungen im Schildkröten-Innengehege verwendeten Hygrometer. Das größte Rundinstrument (Bildmitte) hat einen Durchmesser von 85 mm; die Preise der Instrumente liegen zwischen knapp 5 und ca. 25 Euro. Man beachte die teilweise erheblichen Differenzen in den Anzeigen: Das digitale TFA-Messgerät links zeigt einen Wert von 53 % relativer Feuchte bei 21,3 °C Temperatur an, das kleine schwarze Rundhygrometer dagegen nur 40 %.

 

 

Unerwartete Probleme mit den verwendeten Anzeigegeräten
Terrarianer verwenden aus Preisgründen in der Regel einfache digitale oder analoge Hygrometer. Die von mir eingesetzten Modelle zeigt Bild 1. Wer das Bild aufmerksam betrachtet, wird feststellen, dass jedes Messgerät einen anderen Wert für die relative Feuchtigkeit anzeigt, obwohl vor der Aufnahme eine Beharrungszeit von 1 Stunde zur Akklimatisierung abgewartet wurde. Erwähnt werden muss, dass die drei größeren analogen Hygrometer (oben Mitte und rechts oben und unten im Bild) zur Eichung 45 Minuten in ein nasses Handtuch eingewickelt und die Anzeige danach mit einer Stellschraube auf der Rückseite jeweils auf 95 % relative Feuchte eingestellt wurde. Die von mir verwendeten Hygrometer von Namiba Terra (Bild 1 Mitte unten) und JBL (nicht in Bild 1 gezeigt), mit weniger als 10 Euro zugleich die preisgünstigsten, lassen sich nicht eichen. Das digitale TFA-Messinstrument links im Bild, das auch die Temperatur anzeigt, ist nicht eichbar.

Überraschenderweise scheint es auch Anzeige-Abweichungen bei völlig baugleichen Hygrometern des gleichen Herstellers zu geben. Als ich mir 2012 ein zweites digitales TFA-Thermometer/Hygrometer von Dostmann kaufte und beide Geräte zum Vergleich nebeneinander legte, zeigten sie nach etwa einer Stunde Wartezeit zwar die gleiche Temperatur an, aber deutlich unterschiedliche relative Feuchten, Bild 2. Welcher Wert ist nun der Richtigere? Immerhin beträgt die Differenz im Messwert 13 % absolut, was 25 Prozentpunkten entspricht ((65-52):52 = 0,25). Der von mir informierte Hersteller gab an, dass nur eine Differenz von maximal 10 Prozentpunkten auftreten darf. Ist die Differenz größer wie im aufgezeigten Fall, kann das offensichtlich defekte Gerät mit dem Kaufbeleg beim Fachhändler reklamiert werden.

Hygrometer2kleinBild 2: Diese beiden baugleichen digitalen Thermo/Hygrometer von Dostmann (links ein im Juni 2012 neu gekauftes Gerät, das rechte war zum Zeitpunkt der Messungen etwa 4 Jahre alt) zeigen zwar exakt übereinstimmende Temperaturen an, aber unterschiedliche relative Feuchten. Beide Instrumente erhielten für die Messungen neue Batterien.

 

 

 

 

 

Dies zeigt die große Problematik von Feuchtigkeitsmessungen beispielsweise in der Feldforschung, im Gegensatz zu den vergleichsweise simplen Temperaturmessungen (obwohl auch da Messfehler gemacht werden können). Daher: Wenn in Veröffentlichungen oder in Schildkröten-Foren Aussagen über gemessene Feuchtigkeitswerte am momentanen Aufenthaltsort von Schildkröten gemacht werden, dann sind diese nur dann verwertbar und sinnvoll, wenn neben der gleichzeitig gemessenen Temperatur am Messplatz auch der verwendete Messgerätetyp und -Hersteller genannt wird.

Ich selbst hätte angesichts dieser Fakten große Bedenken, auch nur eines der bei meinen Feuchtigkeits-Messungen im Innengehege eingesetzten Hygrometer für (neue) wissenschaftlich ausgerichtete Feuchtigkeitsreihen-Messungen im Verbreitungsraum Europäischer Landschildkröten zu verwenden. Die Devise für mich muss lauten: lieber gar nicht messen als falsch! Dies gilt erst recht dann, wenn derartige Feuchtigkeitsmessungen in Publikationen einfließen.

Messdurchführung und Ergebnisse
Mit den in Bild 1 gezeigten Hygrometern (sowie dem JBL-Hygrometer und dem älteren TFA-Gerät) führte ich im Zeitraum Juni und August 2012 im Innengehege (meine Schildkröten befanden sich in dieser Zeit im Freigehege) Hunderte von Messungen durch. Die meiner Meinung nach generell zu tiefen Messwerte des älteren TFA-Digitalgerätes sowie der Analog-Rundinstrumente von Namiba Terra und JBL wurden von mir zwar protokolliert, gingen aber nicht in die Auswertung ein. Denn die Abweichungen waren teilweise enorm: nicht selten lagen zwischen höchstem und niedrigsten Messwert zum gleichen Ablesezeitpunkt 100 %! Verwendet habe ich deshalb nur die Messdaten von vier Instrumenten, wobei ich aus den vier Anzeigen jeweils einen Mittelwert bildete.

Der Vernebler „Super Fog“ war so eingestellt, dass er während eines 24-Stunden-Tages fünf Stunden lang in Betrieb war, und zwar insgesamt 10 Mal für jeweils 30 Minuten Dauer (davon drei Mal auch nachts). Bei der gewählten Befeuchtungsstärke und -Häufigkeit reichte die Wassermenge im Behälter des Befeuchters (Inhalt 2,5 l) 2 ½ bis knapp 3 Tage (wöchentlicher Wasserverbrauch ca. 6,55 l). Dann musste vollentsalztes (oder destilliertes) Wasser nachgefüllt werden.

Die gleiche Anfeuchtung fand und findet auch statt, wenn mein Gehege mit Schildkröten besetzt ist.

Hygrometer3kleinBild 3: Das leere Versuchsgehege von oben fotografiert, noch ohne die Hygrometer. Es hat eine trapezförmige Grundfläche. Eine 23-Watt-UVB-Kompaktleuchte (hier von dem dunklen Reflektor verdeckt) und ein 75-Watt-Strahler über der Futterplatte sorgen für ausreichend Helligkeit, Wärme und Ultraviolettstrahlung. Unten im Bild unter einer Korkrinde der weiße Kunststoffschlauch für den Austritt des erzeugten Nebels.




Das aus Holz gebaute offene Gehege (Bild 3) besitzt eine nutzbare Bodenfläche von etwa 0,80 m2. Die Messinstrumente wurden entlang des Umfangs eines gedachten Kreises von rund 30 cm Durchmesser direkt auf dem Substrat platziert, nahezu senkrecht unter der Bestrahlungslampe (Bild 4).

Hier nun beispielhaft aus den zahlreichen Messungen einige wesentliche Ergebnisse:

Vor Einsatz des Befeuchters lag die relative Bodenfeuchte direkt unterhalb des (eingeschalteten) Strahlers am Nachmittag (15 Uhr) zwischen 35 und 40 %. Die Bodentemperatur an dieser Stelle betrug 30 °C. Vier Stunden nach Ausschalten der Lampen wurde (um 19 Uhr) ein „Abendwert“ von 50 % bei 20 °C Bodentemperatur ermittelt.

Hygrometer4kleinBild 4: Die Hygrometer wurden rings um die Futterstelle direkt auf den Boden gelegt und erfassen so die relative Feuchtigkeit, die später auch die Schildkröten „spüren“. Ein an der Seitenwand in z.B. 15 cm Höhe über den Boden angebrachtes Messinstrument könnte zu falschen Schlussfolgerungen führen. Gut sind die vom Vernebler erzeugte Nebelschwaden zu erkennen. Links im Bild ist der Klemmreflektor der UVB-Lampe zu erkennen. Alle vier Fotos stammen vom Autor.

 

 

Diese Angaben können nun mit den folgenden typischen Messwerten bei Einsatz des „Super Fog“ verglichen werden (Str. = Strahler; die Angabe in Stunden bzw. Minuten bezieht sich jeweils auf die Zeit, die seit Ende des letzten Befeuchtungsabschnittes vergangen war):

6 Uhr, Str. aus, 1 ½ Stunden: 91 % (20 °C)
7.30 Uhr, Str. aus, 1 Stunde: 90 % (19 °C)

10.30 Uhr, Str. an, 1 Stunde: 75 % (25 °C)
11.45 Uhr, Str. an, 5 Minuten: 82 % (23 °C)
13.00 Uhr, Str. an, 1 ½ Stunden: 63 % (26 °C)
16.00 Uhr, Str. an, 1 ¼ Stunden: 67 % (26 °C)

17.35 Uhr, Str. aus, 5 Minuten: 91 % (21 °C)
19.00 Uhr, Str. aus, 1 ¼ Stunden: 80 % (22 °C)
22.00 Uhr, Str. aus, 1 ¼ Stunden: 87 % (21 °C)

Die Messergebnisse zeigen, dass durch die regelmäßige Befeuchtung des Innengeheges die relative Feuchte während eines 24-Stunden-Tages gegenüber der Situation ohne jegliche Anfeuchtung tatsächlich deutlich angehoben wird. Selbst 1 ¾ Stunden nach Ende des letzten Befeuchtungsabschnittes, also unmittelbar vor Beginn der nächsten Benebelungsphase, sank die relative Feuchte tagsüber bei eingeschalteten Strahlern nie unter einen Wert von 60 %. Unmittelbar nach jeder Befeuchtung stiegen die Werte tagsüber auf über 80 %, nachts bei abgeschalteten Lampen sogar auf über 90 %. Trotzdem war der Bodengrund nie nass und schimmelte auch nicht. Die durch die Waser-Verneblung hervorgerufene Substrat-Feuchtigkeit dürfte ungefähr der entsprechen, wie sie auch in den Ursprungshabitaten der Landschildkröten vorliegt.

Vermutlich könnte die Verneblungsstärke - durch einfaches Drehen am Stellknopf des Ultraschall-Luftbefeuchters – ohne große Reduzierung der relativen Feuchtigkeit am Boden noch etwas reduziert werden, so dass auch der Inhalt des Wasserbehälters etwas länger ausreicht. Doch ich lasse diese Maßnahme meine (tropischen) Schildkröten entscheiden: Wenn sie demnächst im Spätherbst wieder in ihr Innengehege einziehen, werde ich beobachten, ob sie das direkt angefeuchtete Areal unterhalb der beiden Lampen oder eher die Plätze ringsherum bevorzugen. Bei meinen Sternschildkröten im Freigehege habe ich bei der jetzt zu Ende gehenden Außensaison den Eindruck gewonnen, dass sie dort für feuchtere Ruheplätze (die im Schatten liegen) sogar niedrigere Temperaturen in Kauf nehmen. Weitere Beobachtungen sind zur Absicherung jedoch erforderlich.

Vernebler und „laufende Nasen“ bei Sternschildkröten
Wie im ersten Teil des Artikels (siehe den Beitrag weiter unten) schon ausgeführt wurde, neigen Sternschildkröten (Geochelone elegans) häufiger zur Bildung von klaren Bläschen vor den Nasenlöchern („laufende Nasen“, running nose syndrome – RNS) als andere Arten. Oft diagnostizieren manche Tierärzte dann vorschnell eine Erkältung oder sogar eine Lungenentzündung und behandeln mit einem Antibiotikum. Doch diese Bläschen treten nicht nur im zu trockenen Substrat eines Innengeheges, sondern auch im Freigehege auf, ebenso beim Umsetzen der Tiere von draußen nach drinnen und umgekehrt.

Es war bei den Feuchtigkeitsmessungen allerdings nicht meine Aufgabe und mein Ziel, den eventuellen Einfluss der Luftfeuchtigkeit auf die Bläschenbildung zu untersuchen (zumal sich meine Tiere zurzeit noch im Freien befinden). Doch ich werde in den kommenden Monaten genau beobachten, ob ein Zusammenhang besteht und gegebenenfalls später über das Ergebnis berichten.

In diesem Zusammenhang ein Appell an alle Besucher von schildi-online.eu, die Sternschildkröten pflegen: teilen Sie mir doch bitte, wenn Sie wollen auch anonym, Ihre Erfahrungen zum Thema "Bläschenbildung"  mit. Meine Kontaktdaten finden Sie in der Rubrik „Impressum & Kontakte".

Dieser Beitrag wurde am 17. September 2012 online gestellt.