Lutz Sassenburg:
Handbuch Schildkrötenkrankheiten

bede bei Ulmer, Stuttgart, 3. Auflage, 2005, 128 Seiten, 230 Abbildungen, ISBN: 978-3-898 60-110-2, Preis € 19,90

 

SassenburgkleinWer sich das Buch im Glauben kauft, mehr oder auch neuere Informationen zu finden als in dem gleichnamigen, großformatigen Band des früheren bede-Ratgebers aus dem Jahr 2000, sieht sich getäuscht, denn von einer Neuüberarbeitung wie im Vorspann angegeben kann keine Rede sein. Diese beschränkt sich nämlich nur auf die Einfügung von einigen wenigen Zwischenüberschriften und der Korrektur von etlichen Druck- bzw. Satzfehlern der früheren Ausgabe. Der eigentliche Text- und Bildteil ist ansonsten völlig identisch, auch Inhaltsverzeichnis und Vorwort sind wortgleich – es ist kein einziges Bild neu hinzugekommen oder ein altes durch ein besseres ersetzt worden. Lediglich auf den beiden Umschlagseiten und der Titelinnenseite findet der aufmerksame Betrachter insgesamt drei neue Schildkrötenfotos (wobei das auf der vorderen Vorspann-Innenseite das gleiche wie auf dem Titel ist). Sofort auffallend ist dagegen das kleinere und damit handlichere Format und der von ca. 100 Seiten des früheren Ratgebers auf jetzt 128 Seiten gestiegene Umfang. Leider mussten mit ganz wenigen Ausnahmen die allermeisten Fotos durch den kleineren Satzspiegel entsprechend verkleinert werden, was mitunter Nachteile mit sich bringt: so ist z.B. auf S. 23 die unterschiedliche Kloakenlage bei männlichen und weiblichen Schildkröten kaum noch zu erkennen.

 

Als Nicht-Tierarzt steht es mir nicht zu, zu den Beschreibungen der diversen Schildkrötenerkrankungen und deren Heilung Stellung zu nehmen, auch wenn ich weiß, dass die Behandlungsvorschläge des reptilienerfahrenen Autors von einigen seiner Fachkollegen teilweise kritisiert werden. Wer das Buch zum ersten Mal in Händen hat, wird sich vielleicht an den vielen „blutigen“ Abbildungen stoßen, kann aber gleichzeitig auch erkennen, was heute durch den schildkrötenerfahrenen Fachmann operativ machbar ist. Das Werk will und darf aber keinesfalls Anleitungshilfe für den Laien sein.

 

Etwa das erste Drittel (Körperbau/Organe, Nervensystem/Sinnesleistungen, Verhaltensweisen, Wachstum/Alter) bietet dem Schildkröten-Liebhaber sehr wichtige Informationen. Doch auf Seite 9 findet sich wieder einmal der immer wieder von früheren Büchern ohne Prüfung übernommene Hinweis auf eine einzustellende Temperatur von etwa 45 °C unter dem Spot: jeder, der Lebensräume von Landschildkröten messend und aufmerksam beobachtend durchstreift, wird feststellen, dass sich keine frei lebende und gesunde (europäische) Landschildkröte ungeschützt bei 45 °C Umgebungstemperatur sonnt. Auch die Behauptung, dass die Nahrungsaufnahme erst ab 20-25 °C einsetzt, ist nicht haltbar. Auf S. 10 fehlt bei der Erwähnung der empfohlenen Nahrungsmittel von Pflaumen, reifem Obst, Beeren usw. der wichtige Hinweis, dass diese Futtersorten nur bei hohen Außentemperaturen, also im Sommer, und dann keinesfalls als Alleinfutter, sondern nur als gelegentliche Zugaben gereicht werden dürfen. Dass der Rohproteingehalt im Futter unter 6 % liegen muss (ebenfalls S. 10), ist irreführend, da nicht ersichtlich ist, ob sich dieser Prozentsatz auf die Trocken- oder die Frischfuttermasse bezieht. Schließlich ist mir auf S. 47 aufgefallen, dass bei einem Mangel an Vitamin D3 durch fehlendes UV-Licht (besser sollte man von UVB-Strahlung sprechen) zwar als Abhilfemaßnahme von Injektionen von fettlöslichen Vitaminen die Rede ist, doch es fehlt der wichtige Hinweis, dass die betroffenen Tiere künftig mehr dem natürlichen Sonnenlicht bzw. dem Licht von UVB-Spezialstrahlern auszusetzen sind.

 

Trotz dieser leichten Kritik ist das preiswerte Handbuch sehr empfehlenswert, weil es dem Leser aufgrund der Bilder und Beschreibungen Hinweise auf die wahrscheinliche Diagnose einer erkrankten oder verletzten Schildkröte geben kann. Dass es aber leider zu wenige Fachtierärzte gibt, die in der Lage sind, die beschriebenen Eingriffe und Operationen dann auch im Ernstfall erfolgreich durchzuführen, ist eine andere Sache …

 

 

 

Gerti Keller und Eva-Grit Schneider:
Meine Landschildkröte zu Hause

Verlag Eugen Ulmer (bede bei Ulmer), 2. Auflage 2010, 65 Seiten mit 105 Abbildungen, ISBN 978-3-8001-6941-2, Preis € 5,95

 

Keller-SchneiderkleinDieses handliche Büchlein in Broschürenausführung ist ein typischer Vertreter jener Druckwerke im Billig-Preissegment von 10 Euro und darunter, wie sie vor allem in den Bücherständen von Baumärkten und auch Zoohandlungen zu finden sind und dort vor allem von Hobby-Neueinsteigern gerne gekauft werden. Schon aufgrund der Aufmachung und der geringen Seitenzahl sind an derartige Schriften im Vergleich zu Fachbüchern mit dem drei- bis fünffachen Preis (und Umfang) allerdings keine allzu hohen Ansprüche auf Korrektheit und Vollständigkeit des Inhaltes zu stellen.

Um auf den rezensierten Titel „Meine Landschildkröte zu Hause“ zu kommen, ist zunächst festzustellen, dass dieser im Grund alles Wesentliche enthält, was der Anfänger über die Pflege von Landschildkröten wissen muss. Es gefällt beispielsweise, dass unmissverständlich gesagt wird, dass es allein mit der Ausgabe für den Erwerb einer Schildkröte nicht getan ist, sondern dass weitere Kosten für ein Freigehege im Garten oder auf dem Balkon bzw. - in den Übergangszeiten - für ein Terrarium in der Wohnung und für evtl. Tierarztbesuche anfallen. Mutig angesichts der Empfehlungen des Handels ist auch der Rat für Anfänger, zunächst nur mit einem Einzeltier anzufangen – Schildkröten sind schließlich auch in der Natur Einzelgänger.

Doch es finden sich auch zahlreiche sachliche Schwächen und Fehler, die vor allem bei einer zweiten Auflage wie beim besprochenen Werk in dieser Häufigkeit nicht auftreten sollten. Hier nur einige Beispiele: Dosenschildkröten, die in mehreren Fotos in den Bildunterschriften als Landschildkröten angesprochen werden, sind Sumpfschildkröten und zählen nicht zu den Landschildkröten. Auch das Bild, mit dem im Artenteil die Köhler-Schildkröte vorgestellt wird, zeigt eine Sumpfschildkröte (S. 48) und keine Köhler-Schildkröte. Es gibt nicht nur über 240 Arten von Land-, Wasser und Sumpfschildkröten weltweit (S. 5), sondern aktuell (Januar 2011) 320 verschiedene noch lebende Arten, mit 122 zusätzlichen Unterarten. Auf S. 19 werden Wärme- und UVB-Lampen verwechselt und auch der Hinweis auf S. 62, Jungschildkröten zwei Mal je Wochen für jeweils 5 Minuten mit UV-Licht (gemeint ist UVB-Strahlung) aus 100-150 cm Abstand zu bestrahlen, ist nutzlos, weil nicht gesagt wird, wie stark die dafür eingesetzte Lampe sein muss (bei vielen UVB-Strahlern ist die Strahlungsintensität in 1 m Abstand gleich Null; siehe UVB-Fachartikel von www.schildi-online.eu ). Die im Buch angegebenen Mindestanforderungen an die Größe eines Innengeheges zur Haltung von Schildkröten sind nicht richtig (S. 17). Bei zwei Tieren gilt für die Mindestfläche: Länge = Carapaxlänge in cm (des größeren Tiers) x 8 und für die Breite = Carapaxlänge in cm x 4. Bei den Hinweisen auf ein Balkongehege (S. 25) vermisse ich einen deutlichen Hinweis darauf, dass an heißen Sommertagen u.U. auch ein Aufstellen der Abdeckung nicht vor Überhitzung der Tiere schützt: es muss eine Möglichkeit zumindest zur teilweisen Abschattung des Balkongeheges vorhanden sein. Die völlige Darmentleerung vor Eintritt der Winterstarre durch mehrmaliges Baden (S. 30) wird leider immer wieder von älteren Büchern übernommen, ist deswegen aber nicht richtiger! Dass nach Angabe der beiden Autorinnen einige europäische Landschildkröten schon mit 3 Jahren geschlechtsreif sein sollen (S. 60), passiert allenfalls bei einer regelrechten Mast und damit artwidrigen Pflege der Tiere durch den (unwissenden) Besitzer – in der Natur kommt so etwas nicht vor. Gewarnt wird im Text zwar vor einer Reinigung des Panzers mit einer harten Bürste, doch das seitenfüllende Foto auf S. 33 zeigt genau diesen Vorgang. Man muss den Panzer weder mit einer Bürste „bearbeiten“ noch mit einem feuchten Tuch „entstauben“ -  im natürlichen Verbreitungsraum tut dies auch niemand.

Wie gesagt, die Mängelliste könnte noch verlängert werden; doch dieser kleine Ratgeber zur Schildkrötenpflege ist immer noch besser als gar keine Information und dürfte so manchem sonst unüberlegt gekauftem Tier das Leben retten. An die beiden Autorinnen geht jedoch der dringende Rat, vor einer evtl. weiteren Auflage ihres Werkes zur Informationsbeschaffung ein „richtiges“ Schildkröten-Fachbuch zu studieren, auch wenn dieses im Preisbereich von 20 bis 30 Euro liegt.

HK

Beide Buchbesprechungen wurden am 11. Januar 2011 online gestellt.