Frage: Da ich mir vier Spornschildkröten-Babys anschaffen wollte und mittlerweile auch besitze, habe ich mich im Vorfeld bei einem Zoogeschäft im Ruhrgebiet nach der optimalen Beleuchtung meines offenen Holz-Innengeheges erkundigt. Im Gegensatz zur Empfehlung in Ihrem Buch und auch in Ihrer Website für zwei getrennte Lampen für Helligkeit/Wärme bzw. für die UVB-Versorgung wurde mir dort erklärt, dass dies veraltet sei, weil mittlerweile moderne „Kombilampen“ zur Verfügung stehen, die sowohl Helligkeit, Wärme als auch UVB im ausreichenden Maße liefern. Ich bestellte daraufhin eine derartige Lampe, und zwar vom Typ Solar Glo (125 W) von Exo Terra, bin aber trotzdem total verunsichert. Habe ich mich richtig entschieden?

S.K., Friedberg

 

Antwort in Form eines Schreibens an das Zoogeschäft (der Anfrager wurde entsprechend informiert):

Sehr geehrte Damen und Herren,

Sie haben Ihrem Kunden S.K. erklärt, dass die Empfehlung für zwei getrennte Lampen „veraltet“ sei, denn es gäbe mittlerweile Lampen, die für Helligkeit, Wärme und Licht in einem sorgen ("Komiblampen").

Letzteres ist richtig, solche Lampen gab es übrigens schon zu der Zeit, als mein Buch erschien (2008). Schon aus diesem Grund ist dieses nicht etwa veraltet, denn es gibt mehrere überzeugende Gründe, die Funktionen Helligkeit/Wärme einerseits und UVB andererseits zu trennen, vor allem bei der Pflege von noch sehr jungen Landschildkröten.

  • Zunächst erweisen sich die „Alleskönner“ unter den Terrarien-Strahlern als relativ unflexibel: ist ihre Wärmestrahlung nämlich zu stark, müssen sie relativ hoch über den jungen Schildkröten befestigt werden, da diese sonst überhitzt werden. Bei einem größeren Bestrahlungsabstand nimmt aber die am Boden ankommende UVB-Intensität stark ab. Entwickelt die „Kombilampe“ dagegen nur wenig Wärme, muss sie, um bei den Tieren eine Carapax-Temperatur von ca. 28 °C zu erreichen, im kurzen Abstand über den Schildkröten befestigt werden; dann ist aber möglicherweise die UVB-Intensität zu hoch und kann evtl. zu Augenschädigungen oder Panzerverletzungen führen. Außerdem wird bei einer tiefen Anbringung der Lampe der Rest eines Geheges nur unzureichend erhellt und erwärmt. In beiden Fällen benötigt man somit trotzdem noch eine zweite Lampe. Grundsätzlich gelten diese Ausführungen auch für die Beleuchtung älterer Landschildkröten.

  • Ein weiterer Grund für die von mir favorisierte Trennung der Funktionen ist der für die meisten Schildkröten-Terrarianer überraschend geringe UVB-Bedarf von Landschildkröten in der Natur (siehe dazu den UVB-Fachartikel in www.schildi-online.eu, die wohl umfassendste, neutrale Darstellung zum Thema mit vielen Freiland-Messergebnissen). Es reicht völlig aus, wenn eine UVB-Bestrahlung an schlechten Tagen vier oder fünf Stunden täglich erfolgt, denn länger sitzen junge Schildkröten in der Natur auch nicht direkt an der Sonne. An trüben oder regnerischen Tagen erfolgt dort praktisch überhaupt keine UVB-Abgabe. Dies lässt sich aber nur mit zwei getrennten Lampen in die Praxis umsetzen. Bei mir bleibt die UVB-Lampe an sonnigen Tagen ganz ausgeschaltet, denn da kommen junge Schildkröten auch bei niederen Außentemperaturen selbst schon im Februar und auch noch im November und sogar Dezember für ein oder zwei Stunden am Nachmittag an die direkte Sonne. Dort ist dann selbst noch im November die einwirkende UVB-Strahlung trotz des Flachen Sonneneinfallswinkels etwa gleich stark wie im Versteck im natürlichen Lebensraum in den südeuropäischen Ländern. Keine noch so teure Lampe kann das erzeugen, was die Sonne auch gegen Ende des Winters im Februar/März bzw. im Spätherbst im Oktober/November kostenlos liefert.

  • Hat der Schildkrötenpfleger eine separate UVB-Lampe im Einsatz, kann er die nicht unbeträchtliche Abnahme der Strahlungsintensität schon nach einem Jahr Betriebszeit auf einfache Weise durch eine niedrigere Aufhängung bzw. Befestigung ausgleichen und muss erst viel später einen neuen Strahler kaufen.

  • Ein weiterer kommerzieller Gesichtspunkt: gerade Schildkröten-Neueinsteiger zögern vor der Anschaffung einer teuren und starken Mehrzwecklampe von 50 Euro und mehr, wenn sie schon die Ausgaben für z.B. zwei kleine Schildkröten und das dazugehörige Gehege hatten. Für die ersten etwa drei oder vier Lebensjahre von Landschildkröten reichen nach meiner Erfahrung ein konventioneller 60-oder 75-W-Reptilienstrahler (oder eine klare 60-W-Glühlampe) plus eine 23-W-UVB-Kompaktlampe völlig aus.

 

SpornkleinSpornschildkröten (Geochelone bzw. Centrochelys sulcata) sind nach den beiden Galapagos- und Aldabra-Riesenschildkröten die drittgrößte Landschildkrötenart der Welt und die größten Landschildkröten Afrikas. Im Bild zwei wenige Wochen alte, etwa 40 g schwere Schlüpflinge. Im Alter können sie bis zu 80 cm groß und 60-100 kg schwer werden. Als tropische Landschildkröten machen sie keinen Winterschlaf. All dies sollte man wissen, bevor man sich zum Kauf von jungen Spornschildkröten entschließt. Foto von Horst Köhler.


Noch einige Anmerkungen zu der 125 Watt starken Solar Glo, die Sie Ihrem Kunden S.K. als „Kombilampe“ für sein Aufzuchtgehege empfohlen und verkauft haben. Eine Vermessung dieses Produktes durch mich ergab zu meinem Erstaunen nur eine sehr geringe Wärme- und UVB-Strahlungsleistung, fast an der Grenze des gerade noch Sinnvollen (Details siehe Abschnitt 6.5.2 meines UVB-Fachartikels in www.schildi-online.eu). Damit die jungen Tiere des Kunden überhaupt auf Betriebstemperatur kommen, muss der Bestrahlungsabstand daher sehr kurz gewählt werden (wenn dies technisch überhaupt machbar ist und nicht zur Notabschaltung des Strahlers führt), so dass nur ein kleiner Teil des Geheges erhellt und erwärmt wird: der Pfleger wird damit, wie oben ausgeführt, trotz der „Kombilampe“ zum Kauf einer zweiten Wärmelampe gezwungen sein, was ihn angesichts der Werbeaussagen über die angebliche „Alleskönner-Lampe“ nur wenig erfreuen dürfte.

Die richtige Beleuchtung und zweckmäßige UVB-Versorgung von Landschildkröten in Innengehegen ist, das muss zugegeben werden, ein recht komplexes Gebiet. Weisen Sie deshalb doch bitte Ihre Kunden auf den oben erwähnten Artikel zu diesem Thema hin – er wird sicherlich so manche Kaufentscheidung vereinfachen und zu weniger Enttäuschungen führen.

 

Horst Köhler (5. April 2011)