Ein sehr interessanter und zugleich äußerst umfangreicher Haltungs- und Zuchtbericht über die Ägyptische Landschildkröte (Testudo kleinmanni), die kleinste Landschildkrötenart des Mittelmeerraumes, füllte unlängst die gesamte August-Ausgabe 2011 der Zeitschrift Radiata, die von der DGHT-AG Schildkröten herausgegeben wird: 30 Druckseiten, 43 Farb- und Schwarzweißfotos und mehrere ganzseitige Tabellen über Details der  Gelegeentwicklung aller Weibchen der Autorin Sabine Branser aus Sachsen stellen eine genaue Dokumentation ihrer Haltungsbedingungen und ihrer Zuchterfolge dar. Das Heft kann über die DGHT-Geschäftsstelle, Postfach 1421, 53351 Rheinbach, Tel. 02225 / 703 333 bezogen werden.

Doch nicht die für Schildkrötenbeiträge ungewöhnliche Länge des Artikels ist das Bemerkenswerte, sondern die Tatsache, dass Pflege und Zucht in einigen wesentlichen Punkten von den Aussagen anderer Autoren zum Thema T. kleinmanni deutlich abweichen. Und trotzdem kann die Autorin auf vitale und gesunde Nachzuchten verweisen, bisher bis hin zur F2-Generation.

 

Sabine Branser hält ihre Ägyptischen Landschildkröten in ihrer Wohnung in mehreren geschlossenen, handelsüblichen Terrarien (Bild 1). Die Abmessungen des größten Behälters sind 120 x 60 x 60 cm. Das nächst kleinere Terrarium misst 100 x 60 x 50 cm. Darin hält sie jeweils drei bis vier adulte Tiere. In beiden Terrarien befindet sich auch je ein Eiablagehügel. Als Bodengrund für semiadulte und adulte Schildkröten verwendet sie Sand (teilweise mit Lehm vermischt) und Pinienrinde mittlerer Körnung. Zur Einrichtung zählen Korkeichenrindenstücke, Weidebrücken, Blumentopfteile und tropische Pflanzen.

 

Da Frau Branser keinen Garten besitzt, sondern nur einen Balkon hat, setzt sie ihre Tiere (bei entsprechend warmer bzw. sonniger Witterung) für einige Stunden in oben offene Terrarien auf den Balkon, um ihnen gelegentlich den Aufenthalt im natürlichen Sonnenlicht zu ermöglichen.

 

Die feuchtigkeitsliebenden Schlüpflinge werden in ihren ersten Lebenswochen sicherheitshalber auf Küchenrollenpapier gehalten.Dem Flüssigkeitsbedarf der Babys wird dadurch nachgekommen, dass flache, mit Trinkwasser befüllte Blumentopfuntersetzer im Terrarium stehen und darauf geachtet wird, dass stets Wasser darin ist. In den Schlafhöhlen sorgt zusammengeknülltes befeuchtetes Küchenrollenpapier für eine feuchte Umgebung und kühlere Rückzugsmöglichkeiten. Das Papier wird regelmäßig nachgefeuchtet.

 

Auch in den Terrarien für die semiadulten Schildkröten befinden sich Blumentopf-Untersetzer mit Trinkwasser. Die Luftfeuchtigkeit in den Behältern mit den adudlten Tieren wird durch das angefeuchtete Futter (ein bis zwei Mal täglich diverse Wildkräuter, Blüten und Salatsorten, gelegentlich auch dünn geschnittene Obststückchen), das Gießwasser für die Pflanzen und durch eine gelegentliche Befeuchtung des Sandes bzw. Sand-Lehmgemisches kontrolliert. Vernebelungsgeräte kommen nicht zum Einsatz, ja, es wird nicht einmal regelmäßig Wasser gesprüht.

 

Für die Versorgung der Schildkröten mit Kalk verwendet die Autorin zerstoßene (vorher abgekochte) Eierschalen, Sepiaschalen und gelegentlich ein Nahrungsergänzungs-Präparat namens "Calci delice", eigentlich für Hunde und Katzen gedacht.

 

BranserBild1Bild 1: Korkrindenstücke und Weidenbrücken schaffen nicht nur Versteck- und Schlafplätze sowie Klettermöglichkeiten, sondern erweitern den Bewegungsraum.

 

 

 

 

 

 

Bei der Bestrahlung der Ägyptischen Landschildkröten wird nicht an Kosten gespart und auch nicht auf gefälliges Aussehen geachtet, denn es werden HQI-Strahler, Leuchtstoffröhren, UVB-Kompaktlampen und Spotstrahler in Kombination eingesetzt. Damit stellen sich folgende Temperaturen in den Terrarien, z.B. für adulte und semiadulte Tiere, ein: Schlafplätze/Versteckhöhlen 23 – 25 °C, Sonnenplatz 30 – 42°C und im Sommer an Nachmittagen am Eiablageplatz bis zu 45 °C. In den Behältern für die Schlüpflinge werden an den Sonnenplätzen 32 – 36 °C erreicht. Diese Werte können je nach Jahreszeit und damit der Zimmertemperatur schwanken.

Was bei anderen Züchtern von Testudo kleinmanni wohl nicht üblich ist: täglich erfolgt zwischen 12 und 14 Uhr eine Beleuchtungspause.

 

Zu den markantesten Unterschieden zu früheren Berichten über die Haltung der Ägyptischen Landschildkröte zählt, dass die Tiere bei Sabine Branser eine Sommerruhe nur in sehr abgeschwächter Form halten. Fast alle ihre Schildkröten fressen den gesamten Sommer über, wenn auch deutlich weniger als in der übrigen Zeit. Nur ein einziges Tier hielt bei der Autorin bisher einmal eine mehrwöchige Sommerruhe ein.

Ein weiterer großer Unterschied fällt beim Wachstum auf, denn die Schildkröten der Autorin des hier referierten Artikels wachsen schneller und sind auch früher geschlechtsreif, als dies von anderen Publikationen her bekannt ist (Bild 2). Leider gibt es entsprechende Angaben über wild lebende Ägyptische Landschildkröten nicht, so dass man die Erfahrungen von Frau Branser, ebenso wie die anderer Autoren, auch nicht bewerten kann; nicht einmal Wachstumskurven mit dem Gewicht wild lebender Tiere aufgetragen über ihrer Größe (als Produkt des Längs- und Querumfanges), wie ich sie für wild lebende Maurische Landschildkrölten ermittelte und veröffentlichte, existieren als Orientierungshilfe.

So legte beispielsweise ein im Mai 2007 geschlüpftes Weibchen schon Anfang Februar 2010 seine beiden ersten Eier (allerdings unbefruchtet), vier Wochen später das zweite Gelege (3 Eier, befruchtet) und Anfang April des gleichen Jahres bereits das dritte (2 Eier, befruchtet). Die Männchen der Autorin wiegen nach 1 ½ bis 2 Jahren rund 100 g und befruchten ab einem Gewicht von 150 g erfolgreich. Erstaunlich ist auch die oftmalige Eiabgabe der Weibchen: das älteste Weibchen der Autorin setzt im Jahr 8 bis 12 Gelege mit jeweils 1 bis 3 Eiern je Gelege ab! Kein Wunder, dass das die zuständige Landesnaturschutzbehörde misstrauisch sieht.

 

BranserBild2Bild 2: Dieses Bild zeigt einen Paarungsversuch von zwei erst im Jahr 2008 geschlüpften Nachzuchten von Sabine Branser. Beide Fotos mit freundlicher Genehmigung von S. Branser.

 

 

 

 

 

Sabine Branser brütet die Eier ihrer Weibchen, in feuchtes Vermiculit gelegt (aber nicht vergraben), in zwei Inkubatoren aus, wobei sie neuerdings eine Feuchtigkeit von 70 – 75 % anstrebt. Bei einer Bebrütungstemperatur von ca. 29 °C (Zeitigungsdauer 85-130 Tage) schlüpfen ausschließlich Männchen, bei 32 °C (87-142 Tage) Weibchen. Die Schlüpflinge wiegen zwischen 4 und 6 g, nach drei Monaten erreichen sie bereits etwa das Doppelte.

 

Referierte Literatur:

Branser Sabine (2011): Langjährige Erfahrungen bei der Haltung und Vermehrung der Testudo kleinmanni. RADIATA, Jahrgang 20, Heft 3, August 2011, S. 2-32

 

Referat: Horst Köhler (online gestellt am 20. September 2011)

 

Ein weiterer Haltungs- und Zuchtbericht über diese Schildkrötenart als Referat findet sich in der gleichen Rubrik „Interessante Publikationen“ von www.schildi-online.eu: Ägyptische Landschildkröte (Testudo kleinmanni) – mit der Hauptaktivität im Winter. Erfahrungen der Züchterin Alrun Reinarz aus Lübeck, referiert von Horst Köhler am 4.12.2008.

Außerdem, ebenfalls in "Interessante Publikationen": Ägyptische Landschildkröte in Ägypten stark bedroht. Referat von Horst Köhler vom 20.9.2009