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Text und Fotos von Ricarda Schramm
Einleitung
Im Sommer 2011 mussten sich durch unseren Umzug in eine völlig andere Gegend auch meine Schildkröten, die natürlich ebenfalls mit umzogen, an andere Gegebenheiten gewöhnen. Vorher hatte der Garten eine Ausrichtung fast voll nach Westen, so dass die dort befindlichen Schildkröten-Gehege und -Schutzhäuser selbst im Hochsommer erst am späten Vormittag von der Sonne erreicht wurden – im zeitigen Frühjahr und im Herbst noch später, zumal eine große Scheune Schatten warf.
Mit diesen Gegebenheiten war ich natürlich nicht sehr glücklich, konnte sie aber nicht ändern. Bei der Suche nach einem neuen Standort, einem neuen Haus, achtete ich diesmal darauf, dass die Lage des Gartens für meine Schützlinge mehr Sonneneinstrahlung ermöglichte.
Der neue Standort liegt nun zwar auf ca. 650 m ü. NN. und zeigt naturgemäß meist ein raueres Klima mit etwas niedrigeren Durchschnittstemperaturen als der vorherige auf 123 m ü. NN. Dafür liegt unser neuer Garten nun an einem Südhang, Ausrichtung voll nach Süden. Von morgens bis abends können die Schildkröten die Sonne genießen. Bei Inversions-Wetterlagen, wie sie im Herbst häufiger auftreten, herrschen in höheren Lagen sogar mildere Temperaturen als in tieferen. Hinzu kommt, dass die Licht- und UV-Intensität mit der Höhe zunimmt, wie wir von vielen Bergurlauben wissen.
Beide Wohnorte liegen in Mittelhessen, sind also eher weniger von der Sonne verwöhnt als der gemäßigte Süden Deutschlands.
Zunächst musste vor dem geplanten Umzug durch den Bau eines neuen Schildkröten-Schutzhauses (Bild 1) für eine Unterkunft der Tiere gesorgt werden. Dieses wurde in Anbetracht der zu erwartenden klimatischen Bedingungen, der höheren Schneelasten und des höheren Winddrucks gleich mit stärkeren Stütz- und Tragebalken versehen und wesentlich stärker gedämmt. Vier große Alltop-Scheiben im Dach (H 150 x B 120 cm) sorgen für optimalen Lichteinfall, zusätzlich befinden sich noch je zwei Scheiben in der vorderen und hinteren Giebelwand. Die Materialkosten beliefen sich auf etwa 2.500 Euro, davon entfielen allein 600 Euro auf die Alltop-Scheiben im Dach.
Bild 1: Das Bild zeigt mein neues Schildkrötenhaus mit insgesamt 12 cm Dämmung (8 cm innen und 4 cm außen), wie es noch im Bau war. Es bedeckt eine Fläche von 4 x 4 m. Die seitliche Höhe beträgt 1,30 m und die Firsthöhe 2 m. An unserem früheren Wohnort hatte ich drei Schildkröten-Schutzhäuser, jetzt nur noch eines, das dafür größer ist.
Veränderte Lage und das Verhalten der Schildkröten
Sicher ist der Herbst 2011 mit seinen ungewöhnlich milden Temperaturen bis in den Dezember (zumindest bei uns) wohl nicht repräsentativ; genauere Resultate werden also erst weitere Beobachtungen in den nächsten Jahren zeigen. Allerdings wurde doch eines im Vergleich schon sehr deutlich: Vorher musste ich durch sehr starke HQI-Lampen und Heizen in den Schutzhäusern, mehr oder weniger erfolgreich, versuchen, die Aktivitätsphase meiner Schildkröten bis Anfang November zu verlängern, damit sie nicht zu früh mit der Winterstarre begannen (ich habe den Eindruck, dass viele Schildkrötenhalter ihren Tieren eine zu lange Winterstarre zumuten). Das Gleiche galt für die Aufwachphase im zeitigen Frühjahr. Hier spielt eine hohe Lichtintensität neben Wärme beim Erwachen eine wichtige Rolle, damit der Stoffwechsel der Schildkröten schnell wieder auf Touren kommt.
Am neuen Standort nun konnte ich im Herbst ganz auf zusätzliches künstliches Licht und vielfach auch auf Zuschalten der Wärmelampen verzichten, denn auch eine geringere Sonneneinstrahlung bei leicht bedecktem Himmel genügte, um die Temperatur im Schutzhaus auf angenehme Werte ansteigen zu lassen und für helles Licht zu sorgen. Die Schildkröten blieben bis Anfang Dezember aktiv, nahmen noch etwas Futter auf und sonnten sich ausgiebig (Bild 2). Danach deckten wir die Dachfenster ab, damit die Schildkröten sich bei niedrigeren Temperaturen in die Überwinterungsgruben unter den Schlafhäusern zurückziehen konnten.
Erste Erfahrungen mit der Aufwachphase werde ich erst in einigen Wochen sammeln können.
Erwartungsgemäß waren meine Tiere nach dem Einsetzen in ihr neues Zuhause in den ersten Wochen sehr scheu, was sich aber nach zwei Monaten legte. Wie die Weibchen auf die neue Umgebung und die veränderten Orientierungspunkte und Eiablageplätze im Gelände reagieren werden, wird sich im Frühjahr 20212 zeigen.
Bild 2: Drei meiner Landschildkröten beim Sonnenbad im November 2011. Aktuell pflege ich außer meinen Nachzuchten aus 2011 folgende Schildkröten: 2,6 Testudo hermanni hercegovinensis, 1,2 Testudo hermanni hermanni Lokalform Kalabrien, 1,4 Thh aus der Toskana und 8 juvenile Thh aus Sizilien.
Fazit
Diese unterschiedlichen Beobachtungen des Verhaltens an zwei verschiedenen Standorten zeigen, wie wichtig in unseren klimatischen Breiten, abgesehen von der Wärme, die Lichtintensität und -qualität für die Aktivitätsphase der Schildkröten ist. Eine höhere Lichtintensität ermöglicht es, die Haltungsbedingungen mehr den Gegebenheiten in den natürlichen Verbreitungsgebieten anzunähern, was ja unser Ziel sein sollte. Durch höhere Lichtintensität kann der Halter erreichen, dass sich die Aktivitätsphase der Schildkröten verlängert und damit die Dauer der Winterstarre nicht unnatürlich in die Länge gezogen wird.
Natürlich spielt daneben auch die Temperatur eine Rolle, die ebenfalls durch Wärmelampen an die natürlichen Bedingungen angepasst werden muss. Hier hilft ein Blick auf aktuelle Wetterdaten aus den Verbreitungsgebieten.
In letzter Zeit liefern auch Beobachtungen und Temperatur-Messungen im Freiland genauere Aufschlüsse über den natürlichen Ablauf und die Dauer der Winterstarre (z.B. Ivanchev 2007, Wirth 2012).
Immer wieder wird in Diskussionen unter Schildkrötenhaltern über ganz unterschiedliche Erfahrungen mit dem zeitlichen Beginn der Winterstarre und deren Dauer berichtet. Vielleicht sind mögliche Gründe darin zu sehen, dass es sich immer um ganz verschiedene Standorte, Ausrichtungen der Gehege, Ausstattungen der Schutzhäuser und damit der Licht- und Wärmeverhältnisse handelt.
Literatur
Ivanchev, I. E. (2007): Überwinterung von Testudo hermanni und Testudo graeca in der Natur und unter sehr naturnahen Bedingungen in Bulgarien. Schildkröten-im-Fokus 4 (2), S. 3-21
Vinke, T. u. Vinke, S. (2006): Nach der Winterstarre ist vor der Winterstarre. In: Daubner, M. u. Vinke, T. (Hrsg.): Schildkröten-im-Fokus, Sonderband
Wirth, M. (2012): Europäische Landschildkröten im Winter. Elaphe-Terraria 1/2012, S. 76-83
Dieser Beitrag wurde am 20. Januar 2012 online gestellt.
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von Brigitte Kesseler, Spanien
Wir leben seit elf Jahren in Spanien in den Bergen von Alicante. Dort besitzen wir ein Grundstück von insgesamt 12.000 qm Größe. Davon haben wir mittlerweile ca. 3.000 qm bebaut, bepflanzt und für uns und unsere Tiere eingerichtet Bild 1).
Bild 1: Ein Teil unseres Gartens, in dem Oscar gerade seine Runden dreht. Wie die anderen Spornschildkröten auch, nascht er gerne von den roten Blüten des großen Oleanderstrauchs im Hintergrund.
Seit einigen Jahren leben bei uns neben einigen Pantherschildkröten auch Spornschildkröten, Geochelone sulcata (nach Fritz et.al., 2006) bzw. Centrochelys sulcata, insbesondere Oscar und Julia, unsere größten Spornschildkröten. Wir haben sie damals gesehen, uns sofort in sie verliebt und sie gekauft. Es war keine billige Angelegenheit, aber wir bereuen die Anschaffung nicht eine Sekunde. Es fasziniert uns täglich, ihrem Treiben zuzuschauen. Oscar ist heute (August 2011) 71 cm lang und wiegt 48 kg (Bild 1 und 2), während Julia eine Länge von 51 cm hat und 22 kg wiegt (Bild 3).
Bild 2: Hier haben wir Oscar für diese Aufnahme auf den Rücken gedreht. Gut zu sehen an Geschlechtsmerkmalen der Männchen sind hier der ausgeprägte und gegabelte Gularschild und der konkave Buchpanzer.
Bild 3 (rechts): Obwohl Julia 20 cm kleiner ist und auch nur halb so viel wiegt wie Oscar, braucht man schon Kraft, um sie hochzuheben. Man beachte den ebenen Bauchpanzer des Weibchens.
Damals hatten wir uns mitten in der Nacht auf den Weg in die Sierra Nevada gemacht, um unsere beiden Lieblinge abzuholen. Der Verkäufer traf sich mit uns auf einem Parkplatz. Dort erledigten wir auch alles Formelle wie Kaufbeleg, Cites-Unterlagen usw. Es war schon fast makaber, wie in einem kleinen Lieferwagen rechts und links Obst- und Gemüsekisten aufgestapelt waren und mittendrin die zwei großen Schildkröten saßen. Kurze Zeit später machten wir uns mit unseren neuen Familienmitgliedern auf den Heimweg. Nach etwa sieben Stunden Fahrt waren wir dann endlich wieder zuhause.
Dort pflückten wir zuerst noch Löwenzahn und entließen die beiden Spornschildkröten in den Garten, quasi in die Freiheit. Nach ein paar Stunden Schlaf waren wir neugierig: es hieß, raus in den Garten und suchen.
Jetzt fing unsere Arbeit erst richtig an. Also Kuli, Zettel, planen, Recherchen im Internet, mit andern Züchtern reden, eben einfach genau in Erfahrung bringen, was richtig und was falsch ist.
Als erstes brauchten wir ein Wasserbecken für unsere Schildis, damit sie trinken und relaxen können. Also hieß es, das Erdreich ausheben, was hier bei uns gar nicht so einfach ist, da die Erde in Spanien steinhart sein kann. Man weiß nie, was einen erwartet. In den Bergen ist es noch extremer, da kann es leicht passieren, dass man auf Felsen stößt.
Das mit dem Becken hat aber gut funktioniert und jetzt haben die Tiere mitten im Garten ihr Badebecken (Bild 4). Nur das exakte Fliesen des Badebereichs hätten wir uns sparen können, da die Schildkröten mit ihren scharfen Krallen zahlreiche Platten rasch „geschrottet“ hatten. Na ja, Fehler müssen wohl sein.
Bild 4: Wie man hier an den Beschädigungen sieht, hätten wir uns mit dem Fliesen des Schildkröten-Badebeckens gar nicht so viel Mühe geben müssen, denn eine ganze Reihe der kleinen Fliesen hielt der Beanspruchung durch die scharfen Krallen der schweren Tiere nicht sehr lange stand. Doch unsere Spornschildkröten genießen das Bad trotzdem.
Dann stand der Winter vor der Tür. Wie und wo bringen wir die Tiere unter, wenn es kälter wird? Jetzt bitte nicht lachen, obwohl ich im Nachhinein selber lachen muss: Wir hatten früher ein Gästezimmer, mit der Betonung auf HATTEN…. .Eine halbe Lkw-Ladung Erde kam in das Zimmer, Wärmestrahler, UVB-Beleuchtung, eine Tageslichtlampe, ein paar Pflanzen. Alle halten Dich für verrückt. Macht aber nichts, denn den Schildkröten hat es gefallen.
Es konnte ja keiner erwarten, dass sie frieren, wenn wir den Kamin anhaben. Dazu sei gesagt, dass es hier in Spanien bei weitem nicht so kalt wird wie in Deutschland. Wir haben im Dezember und Januar ungefähr drei bis fünf Tage mit bis zu minus 5 °C. Und das auch nur nachts. Tagsüber liegen im Winter die Temperaturen immer über 10 °C. Schnee haben wir, mit viel Glück, ein Mal im Winter und nur für fünf Stunden, aber man muss ihn regelrecht suchen.
Bald stellte sich uns das nächste Problem. Wenn wir unseren Schildis weiter erlauben, sich frei zu bewegen, hätten sie immer an unserem Pool vorbeigehen müssen. Das war uns dann doch zu gefährlich. Also, was tun?
Wir hatten noch ein altes Holzhaus, das eigentlich nur als Abstellmöglichkeit diente. Also, alles rausräumen und umbauen. Dort reichte es aus, Wärmelampen anzubringen, da sich Oscar und Julia, unsere beiden Großen, am Tag ja frei bewegen können.
Und glaubt mir. Das tun sie, und zwar ausgiebig. Sie bewegen sich frei auf etwa 2.000 qm Gartenfläche. Der Garten ist so angelegt, das ihnen nichts passieren kann. Hoffe ich jedenfalls.
Irgendwann stand Oscar auf einmal in der Küche und fraß aus den Fressnäpfen unserer Katzen. Er war die vier Stufen einer Treppe hochgeklettert, da er gesehen hatte, dass die Tür zur Küche offenstand. Vor ihm ist wirklich kein Fressen sicher! Seitdem bleibt diese Türe zu, damit er nicht rückwärts die Treppe hinunterfällt und auf der betonierten Terrasse landet.
Oscar und Julia fressen eigentlich fast alles. Was sie nicht mögen, ist Liebstöckel und Lauch. Ansonsten fressen sie sämtliches Unkraut sowie Gras, Salat, Tomaten, Gurken, Blumenkohl, Rosenkohl, Trockenfutter für Katzen, Dosenfutter, Blätter von unseren Obstbäumen, und am liebsten Oleander, und zwar die roten Oleanderblüten. Sind keine Blüten mehr erreichbar, fressen sie sogar die Blätter. Ich weiß, eigentlich sollten sie einiges von dem, was ich hier aufzähle, nicht fressen, aber die beiden lassen sich einfach nicht davon abhalten und es scheint ihnen nicht zu schaden.
In den Sommermonaten lassen sie sich morgens kurz sehen, um zu fressen und verschwinden dann in den heißen Stunden. Es sei denn, man macht den Wasserschlauch an, dann erscheinen sie sofort.
Wenn es dann abends wieder kühler wird, kommen sie auf die Terrasse und lassen sich kraulen. Ab und zu mal ein Blick zur Tür --- wenn sie offen sein sollte, ist mal wieder „Katzenfutteralarm“.
Nach einem ausgiebigen Abendessen wandern dann beide wieder in Richtung Garten. Dann kann es nicht mehr lange dauern, bis man ein Grunzen hört. Oscar sorgt für Nachwuchs (Bild 5); dies geschieht im Sommer etwa 3 - 5 Mal jede Woche.
Bild 5: Oscar und Julia, meine beiden Großen, bei der Paarung. Auch auf dieser Aufnahme sind einige männliche Geschlechtsmerkmale zu erkennen: Die über dem Nacken stärker als bei den Weibchen aufgerollten Marginalschilde, die seitlich steiler abfallenden Randschilde und der konkave Plastron. Die Eiablage durch die Weibchen ist ca. 5-6 Wochen nach der Paarung zu erwarten.
Im Sommer kamen wir einmal abends gegen halb neun von einem Spaziergang zurück und Julia saß in ihrem extra für sie angefertigtem Eiablagegehege. Dieses Gehege ist etwa 3 x 2 m groß. Dort haben wir die harte Erde auf etwa 1,50 m Tiefe ausgehoben und durch lockeres Material ersetzt. Sie legte gerade ihre ersten Eier. Wir warteten, bis sie das Loch wieder geschlossen hatte und wollten danach die Eier freilegen und in den Inkubator bringen. Den hatte ich mir schon Monate vorher vorsichtshalber aus Deutschland schicken lassen.
Das Bergen der Eier war aber gar nicht so einfach wie gedacht. Nachdem Julia das Loch wieder verschlossen hatte, war die Erde nämlich fast noch härter als vorher. Trotz aller Vorsicht gingen uns beim Ausgraben zwei Eier zu Bruch.
Nachdem der Inkubator eingestellt war und auch das letzte Ei seinen Platz gefunden hatte, warteten wir genau 78 Tage, bis das erste Ei seinen ersten Riss bekam (Bild 6). Bebrütet haben wir über den ganzen Zeitraum bei 32,5 °C und 78 % Luftfeuchtigkeit.
Bild 6: Ein Spornschildkröten-Baby befreit sich aus dem Ei. Mit etwa 50 mm Durchmesser sind die Spornschildkröten-Eier größer als z.B. ein Tischtennisball (= 40 mm Durchmesser).
Von 25 Eiern waren zwei zerbrochen (wie gesagt, durch eigene Schuld), drei nicht befruchtet und ein sehr kleiner Schildkröten-Schlüpfling verstarb leider nach etwa 24 Stunden.
Für die ganz jungen Schildkröten hatten wir uns extra ein Terrarium zugelegt (Bild 7). Es ist mit einer 13-Watt-UVB Leuchte, zwei Tageslichtlampen mit 13 und 30 Watt und einer 50-Watt-Wärmelampe ausgestattet, die wir aber nur im Winter einschalten, da wir im Sommer ohnehin Innentemperaturen bis zu 32 °C haben. Morgens und abends werden die Kleinen regelmäßig mit einer Sprühflasche besprüht. Ab dem 2. Tag im Terrarium fangen sie bereits an, zu fressen. Am Anfang bekommen sie Salat und Sticks (Friskies Optimal für Reptilien). Da sie die Sticks anscheinend nicht als Ganzes fressen wollen oder - noch nicht - können, werden diese kurzerhand gemahlen und erneut angeboten. Und jetzt gefällt den Kleinen der Teller mit den Sticks und er wird gerne leer gefressen. Zwischendurch gibt es auch Tomaten und Löwenzahn.
Für die schon etwas größeren Jungtiere besitzen wir noch ein geräumigeres Terrarium mit den Abmessungen 1,2 x 0,6 x 0,6 m, das mit einem 50-Watt-UVB-Strahler und drei Tageslichtlampen ausgerüstet ist.
Bild 7: Einige unserer Nachzuchten in ihrem Terrarium, in dem sie bis zu einem Alter von etwa ½ Jahr bleiben. Die Jungtiere waren zum Zeitpunkt der Aufnahme erst wenige Wochen alt. Das Terrarium misst 1 x 0,3 x 0,45 m. Alle Fotos stammen von der Autorin.
Die Nachzuchten erhalten drei Mal wöchentlich etwas Kalziumpulver ins Fressen. Ansonsten bekommen sie je nach Jahreszeit Löwenzahn.
Nach langen Experimenten mit einer 50-Watt-UVB-Lampe haben wir festgestellt, dass sich unsere Kleinen bei einer UVB-Bestrahlung von mindestens sechs Stunden täglich bei einem Bestrahlungsabstand von 25 bis 30 cm zum Boden wesentlich besser entwickeln. Sobald sie weniger lang mit UVB besonnt werden, werden sie träge. Wir bestrahlen zurzeit zwischen 7 und 9 Stunden täglich.
Beim Bergen der Eier schaute mir Julia zu, was ihr offensichtlich gar nicht gefiel. In dieses Gehege legt sie auch bis heute keine Eier mehr. Sie hat sich eine andere Stelle gesucht und gefunden. Diese hat nur einen großen Nachteil: Die Erde ist dort sehr hart. Seit diesem Jahr (2011) fährt sie eine neue Strategie: Sie beginnt zu buddeln, doch dann krabbelt sie mir zwischen die Füße - anscheinend um mich aufmerksam zu machen. Dieses Spiel spielten wir zunächst drei Tage lang, wobei die Eiablage schon zwei Tage überfällig war. Jetzt hatte ich die „Faxen dick“. Als Julia wieder zu ihrem angefangenen Loch krabbelte, folgte ich ihr, bewaffnet mit einer Blumenschaufel und einem langen Schraubenzieher. Wir buddelten über sechs Stunden gemeinsam! Sie, soweit wie sie kam, dann war ich dran mit dem Lockern der Erde.
Nach diesen sechs Stunden Arbeit ging ich ins Haus, um etwas abzukühlen. Wir hatten die ganze Zeit über in einer Art Gewächshaus bei fast 60 °C Lufttemperatur gebuddelt und ich war echt fertig. Als ich dann nach etwa einer dreiviertel Stunde zurückkam, war Julia gerade damit beschäftigt, das Loch wieder zuzuschaufeln. Schnell rettete ich noch die Eier.
Seit diesem Tag hat Julia das gemeinsame Ausheben der Eihöhle für sich entdeckt. Sie legt Im Zeitraum von Mai bis September/Oktober in regelmäßigen Abständen von 33 Tagen zwischen 20 und 28 Eier. Bis jetzt hat sie den Legeplatz unserer ersten gemeinsamen Buddelei beibehalten. Es ist jedes Mal eine Freude, den Oscar und Julia zuzuschauen und sie zu erleben.
Die Nachzuchten geben wir nur zum Teil an private Interessenten ab; viele bleiben aber auch in unserem Garten. Für die kleineren Spornschildkröten haben wir in unserem Garten ein eigenes, etwa 36 qm großes Jungtiergehege gebaut. Dort verbringen sie unseren Sommer, zwischen April/Mai bis September/Oktober. In den Übergangszeiten und im Winter kommen sie in ein entsprechend großes Terrarium oder in unser umgebautes Gästezimmer.
Einen Tierarzt haben wir bis jetzt noch nicht gebraucht. Für alle Fälle: Ein Fachtierarzt für Exoten wohnt 30 km von uns entfernt. Wir kaufen lediglich einmal im Jahr ein Gel zum Entwurmen und eine Creme, mit der wir die Panzer unserer Tiere einreiben, damit sie parasitenfrei bleiben.
Wenn jemand sagt, Schildkröten sind langsam und langweilig, der irrt sich ganz gewaltig! Man muss jedoch vor der Anschaffung daran denken, dass nicht nur der Kauf, sondern vor allem die Haltung von Schildkröten Geld kostet und auch viel Zeit in Anspruch nimmt. Doch es lohnt sich…
Dieser Beitrag wurde am 9. August 2011 online gestellt.
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von Horst Köhler, Friedberg
Einleitung
In einem - im Gegensatz zum eher nasskalten (Schildkröten-) Jahr 2010 - mit so vielen Sonnenstunden und angenehmen Temperaturen gekennzeichneten Jahr wie diesem (2011), bemerken viele Gartenbesitzer einen stärkeren Befall ihrer Nutzpflanzen und Blumen mit Schnecken, Läusen, Spinnmilben und anderen beißenden Insekten sowie mit verstärktem Ameisenvorkommen (Bild 1). Um Ameisen, die im Garten als natürliche „Putzkolonie“ und als Erzeuger enormer Mengen von Biomasse im Boden durchaus nützlich sind, geht es in diesem Artikel. In Schildkrötengehegen, vor allem aber in Schildkröten-Schutzhütten, sind diese artenreichen Insekten vor allem dann nicht willkommen, wenn sie in Massen auftreten und unter Umständen unsere Landschildkröten durch Beißattacken gefährden. Gelangt beispielsweise nur eine einzige Ameise in das Auge eines Schlüpflings, welches ihr Lid nicht rasch genug schließt, kann das Sehvermögen durch die ätzende Ameisensäure für immer beeinträchtigt sein (Köhler, 2008).
Bild 1: Ameisennester sind an den typischen kleinen Sandhäufchen auf Wegen, Plätzen, im Rasen, in Beeten und, wie hier, auf einer Borddiele zur Grundstücksabgrenzung, zu erkennen. Deutlich sind auf diesem Bild einige Ameiseneier des mit dem Finger teilweise geöffneten kleinen Nestes zu sehen; die aufgeregt hin- und herlaufenden Ameisen selbst sind auf dieser Nahaufnahme nur in der Vergrößerung zu erkennen.
Am Rand meines Freigeheges für Sternschildkröten in unserem Garten befindet sich ein etwa 1 x 1 m großes Beckmann-Alltop-Frühbeethaus, das die Tiere je nach Tageszeit verlassen oder für ihre Ruhepausen wieder aufsuchen können (Bild 2). Als Bodengrund wurde zu Beginn der diesjährigen Freiluftsaison ein frisches Gemisch aus ungedüngter Erde, Rindenmulch und Stroh etwa 10-15 cm hoch eingebracht, so dass sich die Sternschildkröten panzerhoch eingraben könnten (was sie allerdings bei mir nur sehr selten tun; meist graben sie sich nur wenige Zentimeter tief in das Substrat ein).
Bild 2: Rechts oben befindet sich die Sternschildkröten-Schutzhütte in meinem durch Holzpalisaden begrenzten Freigehege. Diese Einfriedung existiert an dieser Stelle schon seit fünf Jahren; abgefaulte Palisaden konnte ich bisher noch nicht feststellen.
Als ich vier Wochen später, Ende Mai, Futterreste unter der Steinplatte am Fressplatz entfernen wollte, bemerkte ich plötzlich ein paar Ameisen, beim vorsichtigen Tiefergraben im Erdreich dann aber ganze Massen davon, die nun aufgeschreckt im gesamten Inneren des Frühbeethauses hin- und herliefen und sofort meine Arme attackierten. Schnell griff ich zu einer Schaufel und entfernte das Nest mitsamt Eiern und den Bodengrund ringsherum bis zur Styrodur-Bodenplatte – es mögen etwa drei Eimer voll Substrat (und Ameisen) gewesen sein, die ich weit weg von meinen Schildkrötengehegen unter einer dicken Hecke wieder ausleerte.
Richtiger Einsatz von Ameisen-Köderdosen
Da ich davon ausgehen musste, dass sich trotz der Entfernung der Kolonie nach wie vor noch etliche Ameisen im Schildkrötenhaus befinden, stellte ich vier Ameisen-Köderdosen direkt auf den ausgehobenen Bodengrund, dort wo ich das Nest ausgehoben hatte (die Schildkröten kamen für einige Tage in ihr Innenquartier). Zwei der Dosen (Celaflor Naturen Ameisenköder) enthielten als Wirkstoff Spinosad, die beiden anderen (Dehner Ameisenköder) den Wirkstoff d-Phenothrin (Bild 3).
Bild 3: Die vier Köderdosen im Schildkrötenhaus auf einer Bodenfläche von nur etwa 30 x 30 cm Größe, dort wo sich zuvor das Ameisennest befand. Der Hinweis in den Gebrauchsanleitungen der Hersteller, dass eine einzige Köderdose für rund 5 m2 Fläche ausreicht, deckt sich nämlich nicht mit meinen bisherigen Erfahrungen. Die Köderdosen müssen regelmäßig auf Annahme durch die Ameisen kontrolliert und gegebenenfalls durch neue oder durch Dosen mit anderen Wirkstoffen ersetzt werden. Gelförmiger oder flüssiger Köder trocknet bei zu hohen Innentemperaturen im Schildkrötenhaus rasch aus und ist dann ohne Wirkung.
Ein solcher Einsatz von Ködern mit verschiedenen Wirkstoffen bzw. Vergrämungsmitteln ist wichtig, weil sich Ameisenvölker offensichtlich an den Bekämpfungsstoff gewöhnen können und sich damit dann auch nicht vertreiben, geschweige denn ausrotten lassen. So staunte ich im letzten Jahr nicht schlecht, als ich einen zum Schutz vor zu starker Sonnenstrahlung über eine Köderdose gestülpten kleinen Karton zur Kontrolle des Köders abnahm und feststellen musste, dass sein gesamtes Innere mit Ameisen-Sandhäufchen und einer kleineren Ameisenkolonie angefüllt war, so viel, dass von der grünen Köderdose nichts mehr zu sehen war! Die Insekten krochen in und über die Köderdose – ohne jegliche Wirkung.
Doch selbst bei einem Aufstellen mehrerer Köderdosen mit unterschiedlichen Wirksubstanzen auf engstem Raum kann man sich über einen Bekämpfungserfolg nicht sicher sein. Dies hat mehrere Gründe (teilweise nach Neudorff):
(a) in einer bestimmten Entwicklungsphase nehmen Ameisen kohlenhydrathaltige Köderstoffe, wie sie in der Regel in den Köder eingearbeitet sind, nicht auf: sie bevorzugen in dieser Zeit eiweißhaltige Nahrung.
(b) Handelt es sich um einen Befall mit der so genannten, nur etwa 2 mm groß werdenden Pharaonenameise, die einst aus den Tropen und Subtropen zu uns eingeschleppt wurde, wirken die für die Bekämpfung von europäischen Ameisenarten konzipierten Wirkstoffmischungen ebenfalls nicht, weil diese Art generell nur frisches, eiweißhaltiges Futter zu sich nimmt.
(c) Unmittelbar vor und während des Hochzeitfluges nehmen Ameisen keinerlei Nahrung auf, weil sie in dieser Phase mit anderen Dingen beschäftigt sind.
(d) Ameisen sind gegen einen bestimmten Wirkstoff immun geworden. Dann nützt es auch nichts, wenn man Produkte unterschiedlicher Hersteller einsetzt, die den gleichen Wirkstoff enthalten. Dies ist beispielsweise bei dem gelförmigen Ameisenköder Celaflor Naturen und dem flüssigen Köder Loxiran Ameisenbuffet von Neudorff der Fall: beide enthalten die Wirksubstanz Spinosad (die Dosierung ist allerdings bei Loxiran fast doppelt so hoch wie bei Celaflor Naturen).
Daraus folgt, dass möglichst in der Nähe eines Ameisennestes aufgestellte Köderdosen nach zwei Tagen erstmals, und danach in regelmäßigen Abständen, auf die Annahme durch die Ameisen kontrolliert werden sollten. Denn wenn die Ameisen vom Köder nichts fressen, bleibt er natürlich wirkungslos. Wichtig: werden die Köderdosen zu stark von der Sonne bestrahlt, trocknet ihr Inhalt innerhalb kürzester Zeit aus. Diese Gefahr ist bei der Verwendung im Schildkrötenhaus immer sehr groß, da in ihm an sonnigen Sommertagen leicht Innentemperaturen von 30 °C (im Schatten !) auftreten. Aus diesem Grund hatte ich mein Frühbeethaus während der Zeit der „Ameisenaktion“ durch eine Strohmatte abgedeckt.
Weitere Bekämpfungsmaßnahmen
Eine Woche nach Entfernung des Nestes und der Aufstellung der vier Köderdosen fand ich selbst bei gründlicher Suche im Substrat nur noch ganz vereinzelt Ameisen – ein weiteres oder gar neues Nest war jedenfalls nicht mehr vorhanden. Aber Achtung: auch bei nur wenigen sichtbaren Ameisen im Schutzhaus kann sich eine starke Kolonie im Erdreich befinden. Die Dosen stellte ich nunmehr in der Schutzhütte auf eine entlang der Rückwand zur Wärmespeicherung aufgeschichtete Mauer aus Ziersteinen – unerreichbar für meine Schildkröten (Bild 4). Sodann entfernte ich noch etwas Substrat und Stroh, denn es musste ja vermieden werden, dass meine Schildkröten Köderpartikel oder abgestorbene Ameisen fressen. Dann wurde frischer Rosenhumus und neues Stroh eingebracht. Dabei reduzierte ich den Anteil an Gartenerde im Substrat bewusst, weil eine Erdschicht nach meinen Beobachtungen die Ameisen zum Anlegen eines Nestes geradezu einlädt; ein lockeres, stark strukturiertes Substrat, z.B. Rindenmulch oder Rosenhumus, wird dagegen nicht so gerne für den Nestbau angenommen. Da sich Ameisen durch gewisse Duftstoffe, z.B. von Lorbeer, Lavendel, Eukalyptus und Zedern, vertreiben lassen (weiteres „Hausmittel“ sollen Backpulver, Zimt, Essig, Gewürznelken und Zitronensaft sein), kaufte ich mir im Gartencenter einen Topf Lavendel (Lavandula angustifolia) und stellte ihn in eine der Ecken des Frühbeethauses.
Bild 4: Blick ins Innere des Schutzhauses bei geöffnetem Deckel nach hoffentlich lang andauernder Ameisenumsetzung, -vertreibung und -vernichtung: die Köderdosen sind nunmehr, unerreichbar für die Schildkröten aber zugänglich für etwaige Ameisen, platziert. Der Leser störe sich nicht an den vielen „Instrumenten“: ich führte zu diesem Zeitpunkt Vergleichsmessungen mit verschiedenen Hygrometern und Thermometern durch. Alle Fotos stammen vom Autor.
Ein Überbrühen der früheren Neststelle mit kochendem Wasser schied für mich als Maßnahme aus, weil das Ameisenvolk mitsamt seiner Königin ja bereits ausquartiert war. Außerdem hätte ich durch diese Maßnahme das gesamte Hausinnere überschwemmt. Stattdessen änderte ich die Futterstelle: nicht mehr im Frühbeethaus auf der Steinplatte finden jetzt die Hauptfütterungen statt, sondern im anschließenden Freigehege selbst (wo ich etwaige neu entstehende Ameisennester besser bekämpfen bzw. ausgraben kann); nur noch bei ungünstigen Witterungsbedingungen, wenn die Schildkröten auch tagsüber in ihrer (beheizbaren) Schutzhütte weilen, wird innen gefüttert. Dadurch bleiben weniger Fressreste liegen, die neue Ameisen anlocken würden.
Schließlich umgab ich alle drei Seiten des Schildkrötenhauses, die außerhalb des Geheges liegen und somit für die Schildkröten nicht zugänglich sind, mit einer Schicht eines Ameisen-Streu- und Gießpulvers mit dem Wirkstoff Cypermethrin. Diese Maßnahme soll schnell und nachhaltig wirken und damit Ameisen davon abhalten, neu in das Haus einzudringen. Dieses „Pulvern“ werde ich alle drei Wochen wiederholen.
Vorgenommen habe ich mir schließlich noch, das Substrat im Beckmann-Haus mit einem kleinen Rechen alle zwei oder drei Wochen aufzulockern und damit die dort unerwünschten Insekten regelmäßig zu stören. Es ist immer sinnvoll, vereinzelte wieder neu auftretende Ameisen sofort aus dem Frühbeethaus zu entfernen. Einen Nebeneffekt hat diese Maßnahme noch: ich könnte beim - vorsichtigen - Umarbeiten des Substrat dort abgesetzte Schildkröteneier finden ...
Weitere Maßnahmen
Schildkrötenbesitzer kennen noch eine Reihe weiterer Bekämpfungsmaßnahmen, mit denen ich bis jetzt allerdings noch keine eigenen Erfahrungen besitze:
Anbringen eines doppelseitigen Klebebandes
Ausstreuen von Kalkpulver
Anlocken der Ameisen mit einem Schwamm, der mit Zuckerwasser getränkt wurde
Aufstellen einer kleinen Schale mit stark gezuckertem, schalen Bier, in dem die Insekten dann ertrinken (es soll auch mit Honigwasser, verdünnter Likör usw. funktionieren)
Gegen Ende der diesjährigen Schildkröten-Freiluftsaison werde ich in einem kurzen Nachtrag berichten, wie erfolgreich (oder wenig dauerhaft ?) meine Maßnahmen waren.
Literatur:
Köhler Horst (2008): Aufzucht europäischer Landschildkröten-Babys (Kapitel über Schildkröten-Feinde). Schildi-Verlag Augsburg.
Neudorff GmbH KG, Emmerthal: Erfolgreiche Ameisenbekämpfung – gewusst wie! Produktbeschreibung zum Loxiran Ameisenbuffet. 0116-29204
Dieser Beitrag wurde am 18. Juli 2011 online gestellt.
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von Horst Köhler, Friedberg
Fundjahr |
Fundregion |
Carapaxlänge, mm |
Finder |
Quelle |
Geschlecht Gewicht |
|
Juni 1987 |
Südbulgarien, nahe der griechischen Grenze |
ca. 389 (berechnet) |
Waldarbeiter |
Beshkov, 1997 |
Männlich 5,86 kg (1) |
|
1897 ? |
Südostbulgarien, nahe der türkischen Grenze |
370 |
H. Shkorbil |
Shkorbil, 1897 zit. von Beshkov, 1997 |
männlich (2) |
|
? |
Vermutlich Bulgarien |
364 |
? |
Beshkov, 1997 |
männlich; präpariertes Exponat im Naturwissenschaftl. Museum Sofia (3) |
|
September 2008 |
Rumänien, MMNP (4) |
325 |
|
Soler et.al., 2008 |
weiblich 5,98 kg |
|
1901/02 ? |
Rumänien |
305 |
Boulanger ? |
Boulanger, 1902, zit. von Lambert, 1982 |
weiblich 3,6 kg |
|
Juli 1933 |
Südostbulgarien, nahe der Grenze zur Türkei |
303 |
I. Buresh |
Buresh et.al. 1933, zit. von Beshkov, 1997 |
männlich; präpariertes Exponat im Naturwissenschaftl. Museum Sofia |
|
Mai 2009 |
Rumänien, MMNP (4) |
301 |
Cogalniceanu |
Cogalniceanu et.al., 2010 |
männlich ca. 4,9 kg (berechnet) |
Tabelle: Die sieben größten wild lebenden Maurischen Landschildkröten, Testudo graeca ibera, incl. zweier Museumsexemplare, zusammengestellt vom Autor nach diversen Literaturangaben. Reihenfolge mit abnehmender gestreckter Carapaxlänge (Stockmaß) in Millimeter.
(1) Dieses Tier wurde nach dem Fund von V. A. Beshkov in Sofia untersucht, im bulgarischen Fernsehen und der Landespresse präsentiert und dann nach zwei Monaten in menschlicher Obhut wieder am genauen Fundort ausgesetzt. Durch nicht artgerechte Fütterung von hauptsächlich Früchten hatte das Tier in dieser kurzen Zeit bis auf etwa 7 kg zugenommen.
(2) Frühester bekannt gewordener Fund. Da damals alle bulgarischen Landschildkröten mit Testudo graeca bezeichnet wurden, ist fraglich, ob es sich bei dem aufgefundenen Tier auch tatsächlich um Testudo graeca ibera gehandelt hat und nicht um T. hermanni (beide Arten kommen in Bulgarien in verschiedenen Regionen im gleichen Lebensraum vor, siehe auch Bild 1 des Artikels „Erwachen frei lebender europäischer Landschildkröten aus der Winterstarre“, 1. Teil, Rubrik „Berichte & Artikel“ von www.schildi-online.eu). Es existieren weder genaue Angaben noch sind Teile der Schildkröte erhalten.
(3) Der ursprüngliche Exponatsanhänger mit Angabe des Fundortes und der Fundzeit ist verloren gegangen.
(4) MMNP = Macin Mountains National Park, Provinz Dobrogea (nördliche Grenze des Vorkommensgebietes von T.g.i., geschützte Fläche ca. 113 km2).
Bild 1: Das in der letzten Tabellenzeile aufgeführte, sehr alte Männchen, aufgenommen am 15. Mai 2009 am Fundort, ist heute vermutlich eines der größten noch frei lebenden männlichen Maurischen Landschildkröten. Ein Team von vier Wissenschaftlern der bulgarischen Universität Konstanza und des Imperial College London fand das Tier während einer Feldexkursion im bulgarischen Macin Mountains National Park in 400 m Höhe an der im Bild gezeigten Stelle. Mein Dank geht an Prof. Cogalniceanu für die Überlassung dieses noch unveröffentlichten Fotos und für die Erlaubnis, es im Zusammenhang mit diesem Artikel veröffentlichen zu dürfen.
Bei der in der Tabelle aufgeführten Carapaxlänge handelt es sich jeweils um die gestreckte Länge. Die Liste umfasst nur Funde von wild lebenden Schildkröten mit Carapaxlängen über 300 mm; sie widerlegt damit die Aussage so mancher Autoren, die die Maximalgröße der Maurischen Landschildkröte bei 300 mm sehen. Es fällt auf, dass von den sieben sehr großen Testudo graeca ibera fünf männlichen Geschlechts sind und entweder in Bulgarien oder in Rumänien gefunden wurden. Wer also die Absicht hat, besonders große Maurische Landschildkröten in der Natur zu finden, zu fotografieren und zu beobachten, sollte Bulgarien und Rumänien zum Ziel seiner Exkursion wählen.
Zwei der in der Tabelle aufgeführten Männchen hatten ein Körpergewicht von fast 5 bzw. fast 6 kg. Da die Weibchen dieser Art größer und schwerer werden (können) als Männchen, ist nicht ausgeschlossen, dass wild lebende ibera-Weibchen von über 6 kg Gewicht existieren.
Zwar führt V. A. Beshkov in seinem im Jahr 1997 erschienenen Artikel in der Fachzeitschrift Chelonian Conservation and Biology (Beshkov, 1997) auch eine Reihe von kleineren T.g.i. zwischen 250 und 300 mm Carapaxlänge auf, darunter unter anderem Maurische Landschildkröten aus Russland, Georgien und Syrien. Interessant erscheint, dass es bisher offensichtlich nur eine einzige Schildkröte aus der Türkei, gefunden um 1966 von den beiden Österreichern J. Eiselt und F. Spitzenberger, in diese „Rangliste“ der sieben schwersten bzw. größten Tiere geschafft hat, obwohl die Türkei ein riesiges Verbreitungsareal der Art darstellt. Diese Schildkröte besaß eine Carapaxlänge von 252 mm.
Doch ich selbst fand Ende Mai 2006 in der Südtürkei, am Fuß des Taurusgebirges, ein mit 253 mm Carapaxlänge sogar noch geringfügig größeres, weibliches Tier (Bild 2), das ich genau vermessen und fotografieren, leider nicht aber wiegen konnte, da der Messbereich der auf die Exkursion mitgenommenen Waage nicht ausreichte (Köhler, 2007). Später errechnete ich das Gewicht dieser Maurischen Landschildkröte aus den Gewichten und Abmessungen kleinerer Tiere der gleichen Art im gleichen Verbreitungsraum durch Extrapolation zu ca. 3,7 kg. Noch eine kleine Begebenheit zu diesem - für mich - besonderen Fund: als ich in der Nähe des Fundortes in einem abseits gelegenen Bauernhof nach einer geeigneten Waage zum Wiegen der Schildkröte fragte, nahm mir der weder deutsch- noch englischsprechende Bauer die Schildkröte ab und sperrte sie unter einer umgedrehten größeren Plastikbox ein, die er mit zwei großen Steinen beschwerte. Da ich am anderen Morgen noch weitere Fotos von der Schildkröte machen wollte, suchte ich den Bauer nochmals auf, nicht zuletzt, um ihn durch Zahlung einiger Euros dazu zu bringen, das Tier wieder freizulassen. Er ging mit mir hinter sein Haus in den Garten, doch siehe da, die Box war nur noch mit einem statt mit zwei Ziegelsteinen wie am Vortag beschwert – und leer. Die sehr kräftige Schildkröte hatte es also geschafft, während der Nacht ihrem sehr ungewissen Schicksal zu entgehen. Der Bauer war aufgeregt und böse und suchte auf dem gesamten Gelände nach dem Tier. Ich war dagegen unendlich erleichtert, fürchtete ich doch ernsthaft um das Leben der großen Schildkröte; da nahm ich es auch hin, dass ich keine zusätzlichen Schildkrötenfotos mehr machen konnte und mich mit fünf Dias vom Vortag zufrieden geben musste.
Bild 2: Mit zu den zwei oder drei in Fachzeitschriften veröffentlichten Angaben zu den größten bisher lebend in der Türkei gefundenen Testudo graeca ibera zählt dieses Tier, das ich Ende Mai 2006 bei Schildkrötenbeobachtungen und -Vermessungen in der Südtürkei fand. Zum Größenvergleich: der mitfotografierte Objektivdeckel rechts neben dem Kopf des Tiers hat 75 mm Durchmesser. Das hochrückige Weibchen besaß einen Längsumfang von 63 cm und einen Querumfang von 50 cm. Das Bild ist leider nicht (mehr) sehr scharf: ich hatte vor Ort auf Diafilm fotografiert; für eine Veröffentlichung wurde das Dia danach eingescannt. Die hier verwendete Aufnahme wiederum ist eine aus der Druckdatei rückverwandelte jpg-Datei, die noch verkleinert werden musste. Durch all diese Bearbeitungsstufen leidet natürlich die Bildbrillanz. Die Erstveröffentlichung von Fotos dieser großen Schildkröte erfolgte in Schildkröten-Im-Fokus 4(3) 2007.
Vermutlich wird sich die Zahl wild lebender Maurischer Landschildkröten mit außergewöhnlicher Körpergröße trotz gelegentlicher Funde in Grenzen halten, zumindest wird in der Fachliteratur kaum etwas darüber berichtet. Dass „Riesenschildkröten“ unter Testudo graeca ibera in der Natur eher sind, zeigt sich schon daran, dass Cogalniceanu mit seinem Team unter 101 gefundenen und vermessenen Schildkröten nur eine sehr große fand (letzte Zeile der Tabelle). Von den 100 übrigen Schildkröten hatte die zweitgrößte eine Carapaxlänge von „nur“ 255 mm (gegenüber 301 mm beim großen Tier); die durchschnittliche Carapaxlänge aller vermessenen Tiere lag bei „nur“ 200 mm.
Allen Schildkrötenliebhabern, die Biotope auf der Suche nach Landschildkröten durchstreifen, sei geraten, nicht nur den Fotoapparat, sondern zumindest ein Maßband zur evtl. Vermessung größerer Tiere mitzunehmen (evtl. möglich sind auch Aufnahmen, die neben der Schildkröte zum Größenvergleich einen Kugelschreiber, den Objektivdeckel oder ähnliches zeigen). Noch besser wäre die Mitnahme einer Waage bis zu 5 kg Gewichtsbereich, um die Größe und das Gewicht eines Tieres am Fundort ohne jegliche Zweifel (Umrechnung) dokumentieren zu können.
Große Exemplare auch bei der Ostrasse der Griechischen Landschildkröte
Riesenwachstum gibt es nicht nur bei den Maurischen Landschildkröten, Testudo graeca ibera, sondern auch bei den ostgriechischen Vettern, Testudo hermanni boettgeri. Leider findet sich in den meisten historischen Beschreibungen keine Fundortangabe, doch die größten Tiere wurden ebenfalls in Bulgarien gefunden (Beshkov, 1977):
eine sehr große T.h.b., vermutlich ein Männchen, wurde bereits im Jahr 1915 von einem Lehrer nördlich der bulgarischen Stadt Kotel in 1.050 m Höhe (!) gefunden; das Tier hatte eine maximale Carapaxlänge von 314 mm und wog zu Lebzeiten etwa 6,5 kg. Heute befindet sich diese Schildkröte als präpariertes Exponat Nr. 111-49/15 im Nationalen Naturwissenschaftlichen Museum der Stadt Sofia.
Vor fast 30 Jahren, im Juli 1973, traf V. A. Beshkov im südwestlichen Bulgarien in ebenfalls über 1.000 m Höhe nach eigenen Angaben eher zufällig auf ein weibliches Tier T.h.b. mit ungefähr 357 mm Carapaxlänge (Beshkov, 1997). Der Finder hatte jedoch weder eine Kamera bei sich, noch war er in der Lage, die große Schildkröte zu transportieren und ließ sie daher am Fundort wieder frei. Leider sind deshalb keine genaueren Angaben bekannt, doch dürfte es sich bei diesem Tier um die bisher größte lebend aufgefundene Testudo hermanni boettgeri handeln.
Abschließend sei noch angemerkt, dass auch in menschlicher Obhut befindliche Landschildkröten eine außergewöhnliche Größe erreichen können, vor allem dann, wenn sie bei begrenzter Auslaufmöglichkeit stark gefüttert werden.
Literatur:
Beshkov Vladimir A. (1997): Record Sized Tortoises, Testudo graeca ibera and Testudo hermanni boettgeri, from Bulgaria. Chelonian Conservation and Biology, 2 (4): 593-596
Cogalniceanu Dan et.al. (2010): An extremely large-spur-thighed tortoise male (Testudo graeca) from Macin Mountains National Park, Romania. Herpetology Notes, Vol. 3: 045-048
Köhler Horst (2007): Betrachungen zu Gewichten von Testudo graeca ibera aus der Südwest-Türkei. Schildkröten-Im-Fokus 4 (3), 11-19
Soler Joaquim et.al. (2009): Testudo graeca ibera: The Eurasian Spur-Thighed Tortoise in Romania. REPTILIA, 64, 39-44
Weitere Berichte zur Maurischen Landschildkröte Testudo graeca ibera in dieser Website:
Rubrik „Interessante Publikationen“:
Nochmals zum Thema Standorttreue
Standorttreu: wild lebende Landschildkröte in der Türkei nach zwei Jahren wiederentdeckt
Rubrik „Frage & Antworten:
Geschlechtererkennung bei Maurischen Landschildkröten, Testudo graeca ibera
Rubrik „Berichte & Artikel“
Über Schwimmverhalten, Gewichte und Gewichtskurven (Wachstumskurven) von Landschildkröten
Erwachen maurischer Landschildkröten im Raum Antalya (Südtürkei) Mitte Februar 2010, 2. Teil
Erwachen frei lebender europäischer Landschildkröten aus der Winterstarre, 1. Teil
Was wiegen Landschildkröten im natürlichen Verbreitungsraum?
Dieser Beitrag wurde am 25. April 2011 online gestellt.
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von Horst Köhler, Friedberg
Einleitung
Recherchiert man zu diesem Thema, findet man Hunderte von wissenschaftlichen Abhandlungen, vor allem in englischer Sprache, z.B. [1]: Landschildkröten scheinen ein äußerst dankbares Objekt für Diplom- und Dissertationsarbeiten von Studenten bzw. angehenden Wissenschaftlern zu sein. Allerdings habe ich mitunter den Eindruck, dass bei derartigen Abhandlungen, für die nicht selten mehrere Hundert Schildkröten vermessen und gewogen werden, zum Nachweis der Fähigkeit des wissenschaftlichen Arbeitens eher stochastische und statistische Analysen im Vordergrund stehen und nur selten das, was für Schildkrötenhalter eigentlich wichtig wäre.
Wer als Schildkrötenbesitzer nicht gerade Mathematiker, Biologe oder Herpetologe ist, kann mit der Flut derartiger wissenschaftlicher Veröffentlichungen in der Regel nur wenig anfangen, vor allem wenn dann auch noch der so genannte Konditionsindex (condition index) eine Rolle spielt. Schade eigentlich, denn dadurch werden neue Erkenntnisse nicht in der nötigen Breite weiter gereicht. Vielleicht verkennen auch manche Autoren, dass sie als Wissenschaftler gegenüber der Allgemeinheit eine Bringschuld haben, ist es doch der Steuerzahler, der derartige Studien mitfinanziert. Nichteingeweihte verstehen andererseits vermutlich ohnehin nicht, wie man zum Thema Gewichte und Wachstumskurven von Schildkröten so viel wissenschaftliche Literatur produzieren kann: sie nehmen ihre Schildkröte und setzen sie in regelmäßigen Abständen auf eine Waage, dann wissen sie ihr Gewicht über der Zeitachse – falls sie dieses überhaupt interessiert.
Doch fortgeschrittene Schildkrötenfreunde haben mitunter tiefer gehende Fragen. Einige davon: Was soll oder darf eine Landschildkröte eigentlich wiegen? Wie ist das Gewicht frei lebender Schildkröten im Vergleich zu den in menschlicher Obhut gehaltenen Tieren? Ist die zeitliche Gewichtszunahme eines bestimmten Tieres im Rahmen oder besteht Anlass zur Sorge? Entwickelt sich das Gewicht der verschiedenen Arten der europäischen Landschildkröten in Relation zur Größe oder zum Alter gleich oder ähnlich? Kann man das Gewicht kleinerer Tiere auf sehr große extrapolieren, von denen man, aus welchen Gründen auch immer, das Gewicht nicht kennt? Bei derartigen Fragen müssen Gewichtskurven betrachtet und diskutiert werden, doch über welche Größe ist das Gewicht am Sinnvollsten aufzutragen?
Eine Auftragung des Gewichts über das Alter von Schildkröten ist aus meiner Sicht deswegen wenig sinnvoll, weil das Gewicht größenabhängig ist und außerdem die Schildkrötenart, das Geschlecht und die Jahreszeit das Gewicht entscheidend beeinflussen. So wachsen beispielsweise weibliche Vierzehenschildkröten (Testudo horsfieldii) deutlich breiter und höher als Männchen mit der gleichen Carapaxlänge. Nötig ist es, dass die Gewichte für jede Schildkrötenart eigens aufgetragen werden, denn nach [1] - wiederum bezogen auf die gleiche Carapaxlänge - ist z.B. die Maurische Landschildkröte (Testudo graeca) schwerer als die Griechische Landschildkröte (Testudo hermanni) und diese wiederum schwerer als die Breitrandschildkröte (Testudo marginata). Oft haben sogar Schildkröten der gleichen Art beispielsweise im Norden ihres Verbreitungsraumes andere Gewichtscharakteristiken als im Süden.
Gewichtsberechnung aus spezifischem Gewicht und Volumen, möglich oder nicht möglich?
Das Gewicht G eines jeden Körpers, also auch einer Schildkröte, ist nach der sehr einfachen Gleichung (1)
G (g) = ρ (g/cm3) · V (cm3) (1)
das Produkt aus dem spezifischen Gewicht (Dichte) ρ in g/cm3 und dem Volumen V in cm3. Kennt man das spezifische Gewicht und das Volumen einer Schildkröte, würde die einfache Multiplikation das Gewicht in Gramm (g) ergeben.
Volumen
Wie groß ist aber das Volumen einer Schildkröte? Sie hat eine komplizierte Form, die sich rechnerisch kaum beschreiben lässt, zumindest nicht für den Laien. Sie ist weder eine (deformierte) Kugel, noch ein (deformierter) Würfel, noch ein (verschobener) Kegelstumpf, für die es einfache Formeln zur Volumenberechnung gibt, an die wir uns vielleicht noch aus unserer Schulzeit erinnern. Am ehesten ähnelt die Gestalt der Schildkröte, wenn man stark vereinfacht, einer Art Ellipsoid mit aufgesetzter Halbkugel bzw. einer Kugelkalotte. Aber selbst die dafür nötigen geometrischen Randbedingungen zur Volumenberechnung wären kaum zu ermitteln, schon gleich gar nicht während einer Schildkröten-Feldbeobachtung.
Dennoch bleibt für uns eine wichtige Erkenntnis: sowohl das Kugel- als auch das Würfelvolumen nimmt nämlich mit der dritten Potenz des Kugeldurchmessers bzw. der Würfellänge zu. Eine Vergrößerung dieser Basisabmessung um beispielsweise 10 % bewirkt also eine Vergrößerung des Körpervolumens um 33 %. Dieser Zusammenhang wird uns weiter unten nochmals begegnen, wobei allerdings klar wird, dass das Gewicht mit weniger als dem Exponenten 3 über dem charakteristischen Größenmaß zunimmt.
Auch wenn es (mit dem „Auslitern“) eine im Grund sehr einfache und bei genauem Arbeiten auch exakte Ermittlung des Körpervolumens einer Schildkröte gibt (Schlüpflinge ausgenommen), möchte ich hier darauf nicht näher eingehen, weil dieses Verfahren bei Feldbeobachtungen kaum praktizierbar ist und meiner Meinung nach von Laien tunlichst nicht angewandt werden sollte (das Tier muss in einem ausreichend großen Messbehälter mit Wasser untergetaucht werden). Bleibt also die Erkenntnis, dass wir das Schildkrötenvolumen nicht kennen - mit einer Ausnahme, auf die ich weiter unten noch eingehe.
Spezifisches Gewicht (Dichte) und Schwimmvermögen von Landschildkröten
Damit ist uns eine Gewichtsermittlung nach Gleichung (1) nicht möglich. Trotzdem lohnen an dieser Stelle einige Ausführungen zum spezifischen Gewicht ρ einer Landschildkröte, denn diese Größe ist primär maßgebend dafür, ob das Tier im Wasser untergeht (und ertrinkt, z.B. in einem Gartenteich !) oder sich (schwimmend) an der Oberfläche halten kann. Die südamerikanischen Riesenschildkröten müssen ja einst auch schwimmend und auf Holz treibend die rund 1.000 km zwischen der westlichen südamerikanischen Festlandsküste und der Galapogos-Inselgruppe vor Ecuador zurückgelegt haben. Noch heute wird ab und zu beobachtet, dass diese Großreptilien Hunderte von Kilometern im Meer zurücklegen [2]. Bei meinen Besuchen der vor Sansibar im Indischen Ozean gelegenen kleinen Schildkröteninsel Changuu Island ("Prison Island") wurde mir von den zuständigen Herpetologen immer wieder bestätigt, dass einige der dort unter naturnahen Bedingungen lebenden etwa 100 Aldabra-Riesenschildkröten (Dipsochelys dussumieri) in den natürlichen, bis zu 8 m tiefen Oberflächensenken (Bild 1) dann schwimmen, wenn diese bei Flut durch seitlich hereindrückendes Meerwasser vorübergehend geflutet werden. Leider konnte ich dies bisher noch nie mit eigenen Augen beobachten, so dass auch nicht auszuschließen ist, dass das Schwimmen den schweren Tieren nur dazu dient, den Weg aus den wassergefüllten Senken heraus ins Trockene zu finden.
Bild 1: Zugangsweg für die Aldabra-Riesenschildkröten auf Changuu Island zu einer der tiefer liegenden Terrainsenken. An deren tiefsten Stellen ist es immer schattig und der Boden lange Zeit matschig-feucht; diese Plätze werden deshalb von den Tieren an heißen Tagen gerne zur Abkühlung aufgesucht. Bei hohem Meeresspiegel füllen sich die Senken auf der sehr flachen Insel durch seitlich eindrückendes Wasser. Foto vom Autor.
Obwohl Landschildkröten nach den neuesten Fossilienfunden einst meeresbewohnende Lebewesen waren und sich erst im Verlauf der Evolution zu Landschildkröten entwickelt haben (siehe Beitrag "Fossilien von Urschildkröten in China gefunden" vom 1.12.2008 in der Rubrik "Aktuelles"), kann nicht gesagt werden, dass sie einen starken Bezug zum Wasser haben und dass Schwimmen zu ihren bevorzugten Tätigkeiten zählt. Dennoch wird immer wieder beobachtet, dass einzelne Landschildkröten gelegentlich schwimmen - wenn sie die Gelegenheit dazu haben und vor allem wenn sie in der Lage sind, rechtzeitig ihre Lungen ausreichend mit Luft zu füllen, Bild 2. Schildkröten sind sehr an ihrer Umgebung interessiert: vielleicht ist es ja auch nur Neugier, wenn sie einen Teich schwimmend durchqueren, weil sie das Terrain auf der anderen Seite erkunden wollen.
Fällt eine Landschildkröte unverhofft in ein tiefes Gewässer, das sie z.B. wegen eines dichten Seerosenbewuchses nicht erkannt hat, kann sie ertrinken.
Bild 2: Eine solche Aufnahme ist nicht sehr häufig: eine griechische Landschildkröte hat soeben den bis zu 1 m tiefen Teich in ihrem Gehege durchschwommen und dabei 2 bis 3 m schwimmend zurückgelegt. Dieser Teich ist eigentlich als natürliche Begrenzung eines Schildkrötengeheges gedacht. Hier nähert sich das Tier dem mit größeren Steinen ausgelegten Uferbereich. Foto von Christine Dworschak, Wien, in deren Schildkrötengehege sich der künstlich angelegte Teich befindet. Von ihrer Schildkrötengruppe sind es aber nur zwei Tiere, die sie bisher beim Schwimmen beobachten konnte.
Wenn Landschildkröten (theoretisch) schwimmen können, bedeutet dies, dass ihr spezifisches Gewicht etwa das von Wasser (also 1,0 g/cm3) haben muss. Leider gibt die Fachliteratur dazu kaum Auskunft. Um diese Frage näherungsweise zu beantworten, habe ich (im November 2010) das spezifische Gewicht von zwei Nachzuchten aus 2010 (Testudo hermanni boettgeri und T. graeca ibera) sowie einem etwa 15-jährigen T. g. ibera-Männchen nach der umgestellten Gleichung (1)
ρ = G : V (1a)
ermittelt.
Bild 3: Einige Nachzuchten T.h.b. und T. g. i. des Verfassers aus dem Jahr 2010 im Wasserbad bei bewusst erhöhtem Wasserstand. Alle Tiere schwimmen, teilweise Schwimmbewegungen machend, auf dem Wasser (der Versuch dauerte 2 Minuten). Dies bedeutet aber nicht zwingend, dass das spezifische Gewicht (die Dichte) der erst wenige Monate alten Schlüpflinge gleich oder kleiner als das von Wasser ist, denn auch die Oberflächenspannung des Wassers trägt bei diesen noch sehr leichten Tieren mit dazu bei, dass sich die Kleinen an der Wasseroberfläche halten können.Foto vom Autor.
Das Ergebnis war wie folgt:
T.h.boettgeri, NZ 2010, Alter 3 Monate, G = 24 g: ρ* ca. 0,98 g/cm3
T.g.ibera, NZ 2010, Alter 2 Monate, G = 20 g: ρ* ca. 0,85 g/cm3
adultes T.g.ibera-Männchen, ca. 15 Jahre, G = 864 g: ρ = 1,05 g/cm3
(* da die verwendete Digitalwaage nur auf 1 g genau anzeigte, ist das Ergebnis bei den beiden NZ mit einem Fehler von etwa ± 2 % behaftet)
Meine Schlüpflinge hielten sich an der Wasseroberfläche (Bild 3), das ausgewachsene maurische Männchen, das bereits den Winterschlaf begonnen hatte und deshalb auch nicht in der Lage war, seine Lungen gezielt mit Atemluft zu füllen, ging unter (wobei es aber nicht bis zum Boden des Messeimers sank, sondern etwa in der Mitte der Wasserhöhe schwebte). Obwohl das spezifische Gewicht und das Volumen von Landschildkröten in diesem Beitrag nicht Hauptthemen sind, sei darauf hingewiesen, dass verfettete Schildkröten besser schwimmen können als weniger fette Tiere. Der Grund: Körperfett besitzt nur eine Dichte von 0,9 g/cm3, ist also leichter als Wasser, während die Dichte von Körpergewebe bei 1,1 g/cm3 und die der Knochenmasse bei 3,0 g/cm3 liegt [3].
Aus den hier dargelegten Gründen macht es trotz des gewissen Reizes derartiger „mathematischer Spielereien“ keinen Sinn, das Gewicht von Schildkröten rechnerisch aus dem spezifischen Gewicht und dem Körpervolumen zu ermitteln. Eher interessant wäre schon die Bestimmung des spezifischen Gewichtes für die verschiedenen Landschildkrötenarten, getrennt nach Altersstufen und Geschlecht.
Eines folgt aus Gleichung (1): sollte das spezifische Gewicht von Landschildkröten tatsächlich um 1,0 herum liegen (was bei einer statisch ausreichenden Zahl von Tieren noch nachzuweisen wäre), ist das Gewicht etwa zahlengleich mit dem Volumen, d.h. eine 1 kg (= 1.000 g) schwere Schildkröte hätte in diesem Fall ein Körpervolumen von etwa 1.000 cm3 (= 1 l). Nur: wem nützt eine solche Erkenntnis wirklich?
Allometrie bei Schildkröten: der Gewichts-Größenzusammenhang
Unter Allometrie versteht man in der Biologie das Messen und Vergleichen zweier Beziehungen eines Organismus, also z.B. zwischen Kopfgröße und Gesamtgröße eines Menschen oder zwischen Gewicht und Körpergröße. Mathematische Beziehungen, die diesen Zusammenhang beschreiben, nennt man allometrische Gleichungen.
Die klassische Allometrieformel
y = a · xb (2)
als Exponentialfunktion (ergibt eine Kurve), oder, in doppelt logarithmischer Schreibweise als Linearfunktion (ergibt eine Gerade)
log y = log a + b · log x (3)
ist schon seit fast 120 Jahren bekannt; sie wurde erstmals bei der Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Hirngewicht und dem Gesamtgewicht sowie den geistigen Fähigkeiten des Menschen gefunden. a und b sind in diesen Gleichungen freie Parameter und müssen durch entsprechende Versuche ermittelt werden.
Eine der wohl ältesten und bekanntesten Beziehungen zwischen Größe und Gewicht von Landschildkröten ist die der Gleichung (2) sehr ähnliche so genannte Fulton-Gleichung
G (g) = K · CL3 (4)
mit CL = Carapaxlänge (in cm) und K = (dimensionsloser) Konditionsindex = 0,21 – 0,23. Sind Gewicht und Carapaxlänge einer Schildkröte bekannt, kann man den Konditionsindex nach Gleichung (3) berechnen. Sollte dieser kleiner als 0,20 sein, gilt die Schildkröte nach der Literatur - angeblich - als untergewichtig, bei Werten von 0,18 und kleiner wäre der Gesundheitszustand des Tieres sogar „äußerst bedenklich“.
Die Carapaxlänge ermittelt man entweder mit einer Schieblehre oder, wenn keine zur Verfügung steht, bei einer am Boden sitzenden Schildkröte als Abstand von zwei vor und hinter ihr (bei eingezogenem Kopf) platzierten Plastikscheiben (Bierdeckel tun es auch …).
In Gleichung (4) begegnet uns der bereits oben erwähnte Exponent 3 bei der Volumenberechnung von Kugel oder Würfel wieder, doch die Beziehung liefert zum Teil falsche Werte, vor allem wenn sich Form und Dichte der Schildkröte mit dem Wachstum verändern (dazu kommt noch, dass Pursall in seinem ins Deutsche übersetzen Buch [4] die Fulton-Gleichung falsch, nämlich ohne Exponenten, angab). Dieser grundsätzliche Mangel ist auch leicht einzusehen, denn vergleicht man zwei gleich lange Schildkröten mit unterschiedlicher Carapaxwölbung, so muss die mit der höheren Wölbung schwerer sein als die mit einer flachen; Gleichung (4) ergibt aber für beide Formen das gleiche Gewicht.
Folgendes Rechenbeispiel zeigt, zu welch falschen Schlussfolgerungen Gleichung (4) verleitet: das Männchen, mit dem ich das spezifische Gewicht ermittelte (siehe oben), sorgte zusammen mit seinen beiden Weibchen Jahr für Jahr für Nachwuchs, sogar im (zumindest in Südbayern) denkbar schlechten Schildkrötenjahr 2010 (Bild 4). Es wog im November 2010 864 g (siehe oben) und hatte zu diesem Zeitpunkt eine Carapaxlänge von 17 cm. Mit der umgestellten Gleichung (4)
K = G : CL3 (4a)
wird der Konditionsindex K = 0,175, d.h. nach Fulton bzw. Pursall wäre der Zustand dieses Männchens regelrecht alarmierend! Ich selbst verwende die Gleichung (4) deshalb nicht, vor allem weil auch die individuelle Breite einer Schildkröte vollkommen unberücksichtigt bleibt.
Bild 4: Zuchtgruppe von Testudo graeca ibera des Autors – links das im Text erwähnte Männchen, vorne die zwei größeren Weibchen. Nach der Beziehung 4 bzw. 4a wäre der Gesundheitszustand des Männchens äußerst bedenklich! Solche Gleichungen sollten daher am besten gar nicht verwendet werden. Foto vom Autor.
Besser beschreibt das Gewicht die vor gut 60 Jahren veröffentlichte weiterentwickelte Gleichung (5) nach Le Cren
G = a · CLb (5)
die durch die Veränderlichen a und b die Formveränderung beim Wachsen berücksichtigt. So gibt Le Cren beispielsweise für Testudo hermanni-Männchen a = 0,661 und b = 2,77 an, für Weibchen der gleichen Art a = 0,649 und b = 2,76 [5]. Allerdings muss man für den allgemeinen Gebrauch von Gleichung (5) die Variablen a und b auch für jede andere Schildkrötenart und deren Alter und Geschlecht wissen.
Alternative einfachere Wachstumskurven
Aus dem Vorstehenden geht hervor, wie kompliziert und nach meiner Auffassung auch unsicher die Verwendung allometrischer Gleichungen trotz ihres im Grunde einfachen Aufbaues ist, da zwar die Carapaxlänge (Stockmaß) von Schildkröten leicht feststellbar ist, doch Variable wie K, a und b bekannt sein oder abgeschätzt werden müssen. Die tatsächliche Form einer Schildkröte (von oben gesehen rund, oval oder trapezförmig; Panzer hochrückig oder flachrückig; hintere Carapaxränder auskragend oder nicht, usw.) bleibt durch die Verwendung des Stockmaßes unberücksichtigt. Entsprechend groß ist die Streuung der festgestellten Gewichte, wenn man sie in einem Diagramm über dem Stockmaß CL aufträgt.
In ihrer logarithmischen Form (Gleichung 3) ist der Zusammenhang zwischen Gewicht und Größe bei doppelt-logarithmischer Auftragung zwar eine einfache Gerade, doch sie unterdrückt quasi die Streuung einzelner Messpunkte. So unterscheiden sich, um ein einfaches Beispiel zu nennen, die absoluten Gewichte von zwei Schildkröten mit 3 kg bzw. 2 kg um 50 %, doch im logarithmischen Maßstab schrumpft dieser gewaltige Unterschied auf eine Differenz von nur noch 5,3 %. Dies täuscht dem Nicht-Mathematiker eine sehr geringe Streuung vor.
Da außerdem viele Halter von Schildkröten nicht gerne mit Exponenten und Logarithmen zu tun haben wollen, haben einige Schildkrötenliebhaber nach einfacheren Auftragungsmöglichkeiten gesucht, wobei für diese Messungen außer einer Waage nur ein Maßband benötigt wird. In einem anonymen Beitrag im Internet wird beschrieben, dass eine Auftragung der Gewichte von Landschildkröten über die gekrümmte Querlänge des Carapax eine noch größere Streuung der Daten als bei einer Auftragung über das Stockmaß hat und dass erst eine Auftragung über dem Querumfang, über die höchste Erhebung gemessen, „zufriedenstellende“ Abweichungen der Gewichtspunkte ergibt [6].
Auch die Schildkrötenzüchterin Karin Schippan aus München hat sich Gedanken über eine einfache und gleichzeitig sinnvolle Auftragung der gemessenen Gewichte der von ihr gezüchteten und gepflegten Landschildkröten gemacht. Über viele Jahre hinweg sammelte sie die entsprechenden Daten (von Testudo hermanni boettgeri und T. h. hercegovinensis) und trug das Gewicht über die gewölbte Carapaxlänge (also nicht über dem geraden Stockmaß) auf [7]. Bild 5 ist ein eigens von ihr für diesen Artikel erstelltes neues Gewichtsdiagramm vom Gesamtbestand ihrer Landschildkröten.
Bild 5: Gewichte der von der Züchterin Karin Schippan, München, gehaltenen und nachgezüchteten Griechischen und Dalmatinischen Landschildkröten in Abhängigkeit der gewölbten Carapaxlänge. Insgesamt besteht das Diagramm aus 518 Messpunkten; da diese jedoch oft zusammenfallen, vor allem im Gewichtsbereich unterhalb von 500 g, sind nicht alle zu erkennen. Die Farbe der Punkte kennzeichnet die Jahreszeit, in der gewogen und vermessen wurde: die in Rot ausgeführten Punkte wurden im Sommer notiert und die blauen entweder kurz vor oder unmittelbar nach der Winterruhe. Das Geschlecht der Tiere ist nicht berücksichtigt. Grafik von Karin Schippan.
Gewichtsauftragung nach Köhler
Ich selbst kam im Jahr 2006 auf eine andere Bezugsgröße für die Auftragung von Schildkrötengewichten. Bei einer meiner Schildkrötenexkursionen in der Südtürkei fand ich ein ungewöhnlich großes und schweres Weibchen der Unterart Testudo graeca ibera, das ich zwar vermessen, aber leider nicht wiegen konnte. So bestand die Aufgabe darin, das (bekannte) Gewicht von kleineren, ebenfalls wild lebenden Tieren dieser Unterart über das "Größenmaß" dieses für mich doch recht seltenen Fundes zu extrapolieren [8]. Da ich das Gewicht möglichst genau bestimmen wollte, testete ich verschiedene Messdaten als Maß für die Schildkröten-Größe als waagrechte Achse des Koordinatensystems, wie Stockmaß, gewölbte Carapax-Länge, Summe von Quer- und Längsumfang und stellte dabei fest, dass ich mit dem Produkt aus Querumfang und Längsumfang (jeweils über den höchsten Punkt der Wölbung gemessen) die geringste Punktestreuung bekam und so ohne großen Fehler extrapolieren konnte. Durch dieses Produkt wird die Form einer Schildkröte meiner Meinung nach gut beschrieben, denn neben Länge und Breite wird die Höhe der Carapaxwölbung miterfasst, sogar quadratisch. Wenn man so will, ist das Umfangsprodukt in grober Annäherung ein Maß für die abgewickelte Mantelfläche und damit für das Volumen – und für das Gewicht (siehe Gleichung 1). Die Datenermittlung selbst ist denkbar einfach und stressfrei für das Tier, das nur 1-2 cm hoch angehoben und auf das Maßband gesetzt werden muss (Bild 6). Man multipliziert die beiden Umfänge und trägt über der Umfangsproduktachse das Gewicht auf.
Bild 6: Der Autor bei der Umfangsmessung einer T. g. ibera im natürlichen Verbreitungsraum in der südlichen Türkei. Das Tier muss nur einmal längs und einmal quer auf das Maßband gesetzt bzw. das Maßband um das Tier herumgelegt und die beiden Umfänge genau abgelesen werden. Wichtig bei der Umfangsermittlung ist, dass das Maßband an allen Stellen am Panzer anliegt. Ist im Habitat kein Maßband zur Stelle, dafür aber ein Stück Schnur, kann auch dieses verwendet werden: man muss dann die beiden Umfangslängen an der Schnur markieren und kann die Umfänge später nachmessen. Multipliziert man die beiden Umfänge, erhält man das Umfangsprodukt in der Dimension einer Fläche. Das Bild wurde Ende Mai aufgenommen: man beachte die weitgehend schon trockene Vegetation im Lebensraum der Art. Foto: Maria Köhler.
So kam ich durch Extrapolation auf ein Gewicht des in [7] im Bild gezeigten großen Weibchens von etwa 3,7 kg. Damit zählt dieses Tier mit zu den größten bisher in der Türkei gefundenen und dokumentierten T. g. ibera. Dass diese (Unter-) Art im natürlichen Lebensraum noch größer wachsen kann, geht aus einer neueren Veröffentlichung hervor [9]: das Gewicht eines in Rumänien im dortigen Macin-Nationalpark gefundenen Männchen von T. g. (ibera ?) mit 37,5 cm gewölbter Panzerlänge wurde durch Extrapolation der Gewichtskurven über der gewölbten Carapaxlänge auf ein Gewicht von 4,8 kg geschätzt. Dieses Tier ist damit das schwerste frei lebende Männchen der Art, das bisher vermessen werden konnte. Möglicherweise gibt es noch schwerere, weibliche Tiere.
(Eine "Rangfolge" der schwersten bisher in Südosteuropa und im Nahen Osten aufgefundenen und dokumentierten Testudo graeca ist demnächst in schildi-online.eu in der Rubrik "Vermischtes" zu sehen)
Vor kurzem habe ich diesen „Auftragungs-Test“ als vorbereitende Überlegung zu meinem Bericht für in menschlicher Obhut gehaltene Sternschildkröten (Geochelone elegans) wiederholt und kam auf das gleiche Ergebnis [10], d.h. auf nur minimale Abweichungen der Gewichte von einer mittleren Kurve.
Beispiele für die Gewichtsauftragung von Landschildkröten über dem Produkt der beiden Umfänge finden sich für frei lebende T.g.i.-Schildkröten und einige F1-Nachzuchten von verschiedenen Haltern in [8], Tabelle 1 (Grafik) sowie als Bild 3 in meinem Artikel „Gewichte von Sternschildkröten“ vom 16. Mai 2010 weiter unten in dieser Rubrik. In beiden Fällen liegen die Gewichte der vermessenen Tiere mit nur geringer Streuung zwischen einem relativ eng zusammenliegenden unteren und oberen Kurvenpaar (Hüllkurven). Dies war insofern nicht ganz zu erwarten, da die zu verschiedenen Jahreszeiten vermessenen Schildkröten von verschiedenen Haltern stammten und von diesen sicherlich auch unterschiedlich ernährt und gepflegt wurden. Die Sternschildkröten gingen im Laufe der Jahre teilweise sogar durch die Hände mehrerer Besitzer.
Die bisher aktuellsten Gewichtsdaten von Maurischen Landschildkröten (Testudo graeca ibera) im natürlichen Lebensraum in der Südtürkei zeigt Bild 7. Die Daten wurden Ende Mai 2008 in der Nähe von Kemer und Mitte Februar 2010 bei Belek gesammelt; beide Fundorte liegen etwa 75 km voneinander entfernt in Küstennähe, wobei das Sanddünen-Habitat von Belek direkt an das Mittelmeer angrenzt.
Die Zahl der vermessenen Schildkröten ist deshalb gering, weil die Exkursion Mitte Februar 2010 genau zu Beginn der Aufwachperiode nach der zu Ende gehenden Winterruhe (Winterstarre) erfolgte (noch am Tag zuvor war es relativ kühl bei sintflutartigen Regenfällen). Bei der einwöchigen Schildkröten-Exkursion im Raum Kemer im Jahr 2008 standen dagegen andere Aufgabenstellungen als nur das Vermessen und Wiegen von Schildkröten im Vordergrund [11, 12]. Dennoch gibt es in dem Gewichtsdiagramm keinen Ausreißer: die obere und untere Grenzkurve liegt eng zusammen, obwohl die untersuchten Tiere aus Belek unmittelbar nach der Winterruhe ein Jahres-Minimalgewicht hatten, während die aus Kemer, für das späte Frühjahr nicht untypisch, bereits als gut ernährt bezeichnet werden konnten.
Bild 7: Wachstumskurven von in der Südtürkei frei lebenden Testudo graeca ibera aus Kemer (Rauten) bzw. Belek (Dreiecke), bei denen das Gewicht der verschiedenen Tiere über dem Umfangsprodukt Ul x Uq aufgetragen ist. Der Messpunkt rechts oben (G = 3,7 kg) gehört zu dem sehr großen Weibchen (siehe im Text weiter oben). Grafik von Michael Köhler, Augsburg, nach Vorlage des Autors.
Für die beiden Kurven wurde in Annäherung an Gleichung (2) eine quadratische Funktion der Form
y = a · x2 + b · x (6)
verwendet, wobei y das Gewicht und x das Umfangsprodukt ist. a und b sind Variable, die aus dem Kurvenverlauf bestimmt werden können. Nach Erstellung des Diagrammes ergab sich folgende Funktionsgleichung für die mittlere Wachstumskurve der untersuchten frei lebenden südtürkischen Landschildkröten (Ausgleichslinie zwischen oberer und unterer Kurve):
y = 0,00297 ·x2 + 0,0194 ·x (7)
In dieser Gleichung ist für x zur Vermeidung von zu vielen Nullen nach dem Komma das Umfangsprodukt in dm2 einzusetzen; es ergibt sich dann das Gewicht G (= y) in kg.
Zahlenbeispiel: bei einer größeren Testudo graeca ibera wird ein Umfangsprodukt Ul x Uq von 2.500 cm2 (= 25 dm2) gemessen. Geht man auf der waagrechten Skala (x-Achse) bei 2.500 cm2 senkrecht nach oben bis zur Mitte der beiden Hüllkurven, lässt sich auf der y-Achse ein Gewicht zwischen etwa 2,3 und 2,4 kg ablesen.
Wer gerne nach Gleichung (7) rechnet, bekommt das Ergebnis genauer:
G = 0,00297 · 25 · 25 + 0,0194 · 25 = 1,856 + 0,485 = 2,341 kg.
Ein wesentliches Resultat ist, dass meine in [8] veröffentlichte Wachstumskurve von den im Jahr 2006 vermessenen und gewogenen Maurischen Landschildkröten, darunter nach Angabe ihrer Halter auch langjährig gepflegte Nachzuchten, genau das gleiche Ergebnis liefert. Geht man nämlich in dieser älteren Grafik auf der x-Achse bei Ul x Uq = 2.500 cm2 senkrecht bis zur Mitte des Hüllkurvenpaars nach oben, liest man auf der y-Achse als Gewicht ebenfalls ca. 2,3 kg ab. Dies bedeutet, dass die Wachstumskurven auch trotz der relativ geringen Zahl von dafür verwendeten Messdaten aussagekräftig für die Unterart T.g.i. sind. Es ist also nach meiner Einschätzung nicht notwendig, Hunderte von Schildkröten zu finden, zu vermessen und zu wiegen um verlässliche Wachstumskurven zu erhalten.
Bis zum Vorliegen einer ausreichenden Zahl von Daten gehe ich davon aus, dass das durch Wiegen festgestellte Gewicht von in Menschenobhut gehaltenen Schildkröten T.g.i. oberhalb der Gewichtskurven von Bild 5 liegen dürfte, diese Tiere also schwerer als ihre natürlichen Verwandten gleicher Größe sind. Sollte das tatsächliche Gewicht des einen oder anderen Tieres eines Halters jedoch deutlich unter den beiden Kurven liegen, könnte eine mangelnde Ernährung der Grund sein, der durch Vorstellen der Schildkröte bei einem reptilienerfahrenen Tierarzt bestätigt werden sollte.
Inwieweit die Grafik (Bild 7) und Gleichung (7) auch das Gewicht der Art Testudo hermanni zumindest näherungsweise wiedergibt, habe ich noch nicht untersucht, werde dies aber im Frühjahr 2011 nach Ende der Winterstarre bei meinen beiden eigenen Griechischen Landschildkröten der Unterart boettgeri überprüfen. Da ich davon nur zwei Tiere besitze (Zuchtpaar), bitte ich hiermit jene Schildkrötenhalter, die neben dem Gewicht ihrer Tiere (T.h.) zum gleichen Zeitpunkt auch Ul und Uq gemessen haben, mir diese drei Daten für eine oder auch mehrere Schildkröten per Post (Anschrift siehe Rubrik „Impressum & Kontakte“) oder Email zuzuschicken (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!). Wenn möglich, hätte ich zu diesen Basisdaten auch noch die Unterart, das ungefähre Alter (falls bekannt) und das Geschlecht.
Zur Gewichtsbestimmung von Sternschildkröten (Geochelone elegans) kann Bild 7 bzw. die Gleichung (7) nicht verwendet werden, da die Wachstumskurve für diese Art nach meiner Auswertung einen etwas flacheren Verlauf hat. Geht man mit dem gleichen Umfangsprodukt unseres Zahlenbeispiels von oben (= 2.500 cm2) in die Gewichtsgrafik für G. elegans (siehe Bild 3 im Artikel „Gewichte von Sternschildkröten“ in dieser Rubrik), erhält man, vielleicht für viele etwas überraschend, mit ca. 2,15 kg ein etwas geringeres Gewicht als für eine Testudo graeca ibera mit dem gleichen Umfangsprodukt (= 2,34 kg).
Bild 8: Drei der fünf für obige Grafik (kleines Diagramm) vermessenen und gewogenen Schlüpflinge aus einem Sanddünen-Schildkrötenbiotop bei Belek, die am ersten Tag nach Beendigung ihrer Winterruhe gefunden wurden, und zwar auf einer Bodenfläche von nur etwa zwei Quadratmetern. Es kann durchaus sein, dass diese Babys zwar schon im Herbst 2009 geschlüpft sind, jedoch den örtlichen Winter 2009/10 noch im Erdreich in ihrer Nisthöhle verbracht haben. Foto: privat.
Abschließend noch einige Erläuterungen zum kleinen Diagramm in Bild 7, in das die Daten von insgesamt sechs am 13. und 14. Februar 2010 vermessenen und gewogenen Schlüpflingen eingeflossen sind: bei gleicher Größe (= gleiches Umfangsprodukt, ca. 100 cm2) waren die gerade aus der Winterstarre erwachten fünf Schüpflinge (dreieckige-Symbole; Schlupf frühestens im Spätherbst 2009) nur zwischen 8 und 15 g schwer, während das einzige aufgefundene, etwas größere einjährige Jungtier (Ul x Uq = 150 cm2, quadratisches-Symbol) erst 20 g wog!
Es ist übrigens nicht ganz auszuschließen, dass diese fünf Schlüpflinge den gesamten Winter 2009/10 noch in ihrer Nisthöhle verbracht haben und erst am 13. bzw. 14. Februar 2010 erstmals ins Freie gelang sind (Bild 8).
Man vergleiche das geringe Gewichte des einjährigen Jungtiers mit den oft (hohen !) Gewichten gleichaltriger Schildkröten bei so manchem Züchter und Halter ….[13].
Literatur:
[1] Willemsen, Ronald E. und Hailey Adrian (2002): Body Mass Condition in Greek Tortoises: Regional And Interspecific Variation. Herpetological Journal, Vol. 12, S.104-1124
[2] Köhler Horst (2007): Riesen-Schildkröte schwamm 740 km weit im Indischen Ozean. www.schildi-online.eu, Rubrik „Aktuelles“
[3] Blaxter, K. (1989): Energy metabolism in animals and man. Cambridge University Press, Cambridge
[4] Pursall Brian (1995): Europäische Landschildkröten. bede-Verlag, ISBN 3-927 997-50-1
[5] Wunderlich Sarina: Schildkrötenwachstum. In www.testudolinks.de/wachstumsberechnungen, Stand November 2010
[6] Anonym: Über den Sinn und Unsinn von Gewichtsempfehlungen. In http://testudoland.npage.de (Stand Dezember 2010)
[7] Schippan Karin: Das Verhältnis von Größe zu Gewicht bei der Griechischen Landschildkröte. In www.testudobayern.de (Stand Dezember 2010)
[8] Köhler Horst (2007): Betrachtungen zu Gewichten von Testudo graeca ibera aus der Südwest-Türkei. Schildkröten-Im-Fokus 4 (3), S. 11-19
[9] Cogalniceanu Dan et.al. (2010): An extremely large spur-thighed tortoise male (Testudo graeca) from Macin Mountains National Park, Romania. Herpetological Notes, Vol. 3, published online on 10 February 2010
[10] Köhler Horst (2011): Gewichtsauftragung von Landschildkröten über ihrem Umfangsprodukt (in Vorbereitung für den Druck)
[11] Köhler Horst (2008): Standorttreue von Landschildkröten im natürlichen Lebensraum: wild lebende Landschildkröte nach zwei Jahren wiedergefunden. SACALIA 21 (6), S. 17-27
[12] Köhler Horst (2009): Über Bewegungsradien und Ruhepausen wild lebender maurischer Landschildkröten. Schildkröten-Im-Fokus 6 (1), S. 29-34
[13] Köhler Horst (2008): Aufzucht europäischer Landschildkröten-Babys – vom Ei zum robusten Jungtier. Schildi-Verlag Augsburg, ISBN 978-3-00-023839-0, 180 S.
Dieser Beitrag wurde am 9. Dezember 2010 online gestellt (und am 1. Januar 2011 ergänzt)