Frage: Ich habe vor wenigen Wochen Ihr Buch erhalten und möchte Ihnen herzlich dazu gratulieren. In den letzten zwei Jahren habe ich bereits mehrere Bücher über Landschildkröten gelesen und finde gerade Ihr Buch sehr informativ und lesenswert. Besonders gut gefällt mir Ihre pragmatische Art, beispielsweise wie Sie die Themen „Gehegegröße" oder „Fütterung" erörtern.
Ich bin Jahrgang 1963 und halte seit 1970 Schildkröten in einem Garten in Wien. Als Kind hatte ich mehrere Landschildkröten, entweder direkt aus dem ehemaligen Jugoslawien oder aus Tierhandlungen bezogen. Geblieben sind mir aber nur zwei Schildkröten, weil viele Tiere leider wegliefen; gestorben sind aber nur wenige. Anfangs meinte ich, es handelt sich um ein Paar, doch dann stellte es sich heraus, dass es sich um zwei Männchen handelt. Die beiden (Testudo hermanni boettgeri) bekamen bis vor zwei Jahren mehrmals in der Woche Brot, eingeweicht in Milch, aber auch Klee von der Wiese, Tomaten und Salat. Am Allerliebsten fraßen sie aber Weißbrot mit Milch, das sie regelrecht verschlangen. Ich hatte schon damals ein Buch über Landschildkröten (Perlen-Reihe) gelesen, in dem auch die Ernährung mit Brot mit Milch empfohlen wurde. Die beiden Männchen waren und sind all die Jahre gesund (siehe die beiden Fotos), verbrachten eine fünfmonatige Winterstarre in einem unbeheizten Haus bei ca. 5 °C und die warme Jahreszeit in einem Freigehege (Größe 4 qm, alte Sandkiste). Leider war mein Wissen noch nicht so weit, dass ich an der Haltung etwas änderte. Im Gegenteil, ich dachte, die Schildkröten sind gut ernährt, sind in einem ausreichend großen Gehege und zeigen ein normales Verhalten.

 

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Meine beiden alten Griechischen Schildkröten-Männchen erhielten über viele Jahre hinweg regelmäßig (aber nicht ausschließlich) Brot, das in Milch eingeweicht wurde – ihre absolute Lieblingsnahrung. Trotzdem zeigen sie, wie die beiden Fotios beweisen, gutes Wachstum, glatten Carapax und artgerechtes Verhalten, auch wenn im Bild recchts das dunklere Männchen auf das hellere (oberes Bild) aufreitet. Als ich vorübergehend auf die Verfütterung von Brot mit Milch verzichtete, reagierten die Tiere in für mich nicht erwarteter Weise. Fotos von Dr. Klaus Paulitsch.


 


Vor zwei Jahren habe ich mich wieder vermehrt mit dem Thema „Schildkröten" auseinander gesetzt, was meine Frau auslöste, da sie mir eine weitere Schildkröte schenkte. Mittlerweile bin ich echter Schildkröten-Fan geworden, habe mir zusätzlich drei adulte Weibchen (die alle Eier legen) und drei juvenile Weibchen angeschafft, die in einem separaten größeren Gehege leben. Weibchen und Männchen sind die meiste Zeit getrennt. Die Ernährung der männlichen Schildkröten wurden nach entsprechender Information auf Löwenzahn und Salat (statt eingeweichtes Brot) umgestellt. Im Verhalten zeigten sie sich daraufhin allerdings viel ruhiger, teilweise sogar lethargisch und sie waren sexuell auch nicht mehr so aktiv, wie ich es von ihnen gewohnt war. Außerdem nahmen die Tiere an Gewicht ab und zeigten leichte Hautveränderungen, so dass ich mich entschloss - nach mittlerweile drei Monaten - sie zeitweise mit Heupellets und doch wieder mit Brot (in Milch getränkt) zu füttern. Nun stürzen sie sich wieder auf die vermeintlich ungesunde Nahrung und fressen diese mit dem gewohnten großen Appetit.

Die neuen weiblichen Schildkröten hingegen bekommen von mir nur pflanzliche Nahrung, wobei ich gesehen habe, dass mein größtes Weibchen (2,6 kg) einmal eine Nacktschnecke komplett aufgefressen hat.

Meine Frage: ist es sinnvoll, die einzelnen Schildkröten individuell zu füttern, womit ich meine, dass nur die beiden alten Männchen zeitweise Milch mit Brot erhalten, alle anderen aber nicht? Vielleicht haben sich die zwei nach 30 Jahren an diese Nahrung adaptiert und können nur so gewisse Nahrungsstoffe aufnehmen?

Für eine kurze Stellungnahme wäre ich Ihnen dankbar.

K.P., Wien

 

Antwort: Ihre Frage ist keinesfalls so „unmöglich", wie sie vermutlich spontan von den meisten Schildkrötenexperten abgetan werden dürfte. Halten wir fest: zum einen fressen zwei Ihrer Griechischen Landschildkröten nach wie vor am liebsten in Milch eingeweichtes Brot, ohne von dieser mittlerweile fast 30-jährigen Fütterungspraxis offensichtlich Schaden genommen zu haben, zum anderen ist es erst drei oder vier Jahrzehnte her, dass anerkannte (frühere) Schildkrötenkundige eingeweichte Semmeln, Reis, Nudeln oder Katzennahrung aus der Dose empfohlen hatten. Lagen all diese Experten denn total falsch? So empfahlen z.B. auch Fritz Jürgen Obst und Walter Meusel in ihrem im Jahr 1969 erschienenen Büchlein „Die Landschildkröten Europas" bei Mangel an geeignetem Grünfutter gekochte Kartoffeln, gedünsteten Reis, Haferflocken und andere kohlenhydratreiche Nahrungsmittel. Und drittens: in Milch eingeweichtes Brot enthält, zumindest auf den ersten Blick, Nährstoffe und Mineralstoffe (auch Kalzium und Phosphor), die Landschildkröten benötigen – allerdings, und das sei hier schon mal vorweggenommen, nicht alle und vor allem nicht im richtigen Verhältnis.

Dass Landschildkröten ein bestimmtes Futter, wie in Milch eingeweichtes Brot, vor allen anderen Futtersorten bevorzugen, bedeutet noch lange nicht, dass es ihnen auf Dauer gut bekommt. (Ich würde mich ja am liebsten auch nur von Schwarzwälder Kirschtorte und Kaiserschmarrn ernähren, weil beides meine Lieblingsspeisen sind, aber zum Glück ist das menschliche Gehirn größer als das unserer Pfleglinge...). Außerdem besteht bei der Bevorzugung einer bestimmten Futtersorte immer das Risiko, dass die Tiere auf ausschließlich solches Futter fixiert bleiben und ndichts mehr anderes zu sich nehmen.

In den Herkunftsländern europäischer Landschildkröten fressen Schildkröten kein eingeweichtes Brot, sondern unterschiedlich alte Pflanzen aus vielerlei Arten, deren Inhaltsstoffe sich vom Frühjahr, über die Blüte, den heißen und trockenen Hochsommer bis zum feuchten Herbst ständig prozentual verändern. Der (geringe) Bedarf an tierischem Eiweiß wird in der Natur durch den gelegentlichen Fund einer Schnecke, eines Käfers oder Regenwurms gedeckt. An dieses relativ gehaltlose und rohfaserreiche Futter ist der Verdauungstrakt der Tiere in idealer Weise angepasst und sorgt für eine effiziente Nahrungsverwertung. Wegen der schweren Verdaulichkeit verbleibt der natürliche Nahrungsbrei relativ lange im Dickdarm, so dass die abbauenden Bakterien genügend Zeit haben, den Brei mit seinem Rohfaseranteil entsprechend aufzuspalten. Strukturiertes Futter trägt bekanntlich außerdem dazu bei, Darmparasiten auf natürliche Weise auszutreiben.

Brot und Milch als Alleinfutter erfüllen, auch wenn es den Schildkröten gut schmecken mag, diesen Kriterien nicht, ganz abgesehen davon, dass die wild lebenden Tiere mit Grünfutter unterschiedlichen Alters und Wachstumsstufen (z.B. zart und fett im Frühjahr und Spätherbst, trocken in der heißen Jahreszeit) sich durchaus abwechslungsreich ernähren. Eingeweichtes Brot ist im Gegensatz dazu leicht verdaulich, arm an Rohfasern und reich an Kohlenhydraten, die Darmpassagezeit ist entsprechend kurz und es drohen nicht nur Durchfall, sondern auch eine Vermehrung von Würmern und Einzellern, was am Ende zu einer ernsthaften Erkrankung führen kann. Warum Ihre Tiere bisher keine (Mangel-) Symptome gezeigt haben, kann ich nicht sagen: vermutlich war das eingeweichte Brot nicht Hauptnahrung. Oder Sie bzw. die Schildkröten haben einfach bisher nur Glück gehabt.

 

Was ist die Folgerung? Mit Milch eingeweichte Semmeln oder Brot ist kein artgerechtes und damit gesundes Alleinfutter für Landschildkröten. Es ist vielmehr ein Risikofutter und der Pfleger sollte alles versuchen, ohne derartiges Futter auszukommen, auch wenn die Tiere es schon seit Jahrzehnten gewöhnt sind. Eine Futterumstellung muss allerdings sehr langsam und behutsam im Verlauf von mehreren Monaten erfolgen, darf also keineswegs abrupt geschehen. Ersetzen Sie also bei den beiden Schildkröten-Männchen die Brotmenge stufenweise und langsam durch Grünfutter. Diese Umstellung sollte in der warmen Jahreszeit oder in einem Innenterrarium geschehen, dessen Wärmebestrahlung so eingestellt ist, dass auf dem Carapax dann eine Temperatur von 30-32 °C herrscht, wenn das Tier direkt unter dem Strahler sitzt. Wegen der bevorstehenden Winterruhe würde ich damit aber erst im kommenden Frühjahr beginnen. Vorübergehend können Sie ja Ihren Brot liebenden Tieren weiterhin alle zwei Wochen Brot und Milch verabreichen, aber nicht ausschließlich. Das Endziel sollte es schon sein, davon ganz wegzukommen.

Manche Autoren mögen mich vielleicht wegen dieses Ratschlags kritisieren, aber diese Personen haben vielleicht im freien Lebensraum noch nicht oft genug beobachtet, was frei lebende Landschildkröten außer Pflanzennahrung sonst noch aufnehmen können, beispielsweise wenn sie bei ihren Wanderungen in der Nähe von besiedelten Gegenden auf einen Haufen Hausmüll treffen. Da wird in der Tat so manches vertilgt, was nicht gängiger Lehrmeinung entspricht...

 

Horst Köhler (17. November 2009)