Taschenatlas Schildkröten: 111 Arten im Portrait

von Manfred Rogner
Format 13 x 19 cm, 128 Seiten, 114 Farbfotos, Verlag Eugen Ulmer Stuttgart, 2009, ISBN 978-3-8001-5866-9, Preis € 9,90

„Alle häufig in Menschenobhut gehaltene Land- und Wasserschildkröten werden in diesem Bändchen vorgestellt", so die Aussage des herausgebenden Ulmer-Verlages, wobei jedoch auch Schildkröten aufgeführt sind, die mit Carapaxlängen von über 60 cm nur Zoos vorbehalten sein sollten (zumal die meisten dieser Tiere keinen Winterschlaf halten, also in unserem Winter in zimmergroßen Terrarien im Haus gehalten werden müssten). Dies hätte gelegentlich als Warnhinweis nicht geschadet, wie ja auch konsequenterweise alle Riesenschildkrötenarten unberücksichtigt geblieben sind. Wie der Untertitel andeutet, werden 111 Arten mit jeweils einem halbseitigen Foto und etwa einer halben Seite Text vorgestellt. Den Piktogrammen in einer schmalen Zeile direkt unter den (Bestimmungs-) Fotos sind weitere wichtige Angaben zur maximal erreichten Körperlänge, zur Terrarien/Aquariengröße, Lufttemperatur bzw. Temperatur unter einem Wärmestrahler sowie zum Freilandaufenthalt zu entnehmen. Die Kurztexte sind gegliedert in drei Abschnitte: Beschreibung / Lebensraum, Aussehen, Pflege / Vermehrung.

Die Arten sind alphabetisch nach Gattungsnamen aufgeführt, wobei Land- und Wasserschildkröten nicht getrennt sind. So folgt z.B. auf die Steppenschildkröte (Agrionemys horsfieldii) gleich auf der gegenüber liegenden Seite zwangsläufig die mit bis zu 67 cm Länge größte nordamerikanische Weichschildkröte (Apalone ferox). Liebhaber von Landschildkröten dürften etliche bekannte Arten vermissen: so findet man zwar von der Maurischen Landschildkröte als Unterarten die Anamur-Landschildkröte (Testudo graeca anamurensis) und die Tunesische Landschildkröte (T. g. nabeulensis), nicht aber die häufiger gepflegte Unterart T. g. ibera. Ferner fehlen Arten wie die Dalmatinische Landschildkröte (Testudo hermanni hercegovinensis), die Gopherschildkröten, die Madagassische Schnabelbrustschildkröte (Astrochelys yniphora) und die gelegentlich mit der Indischen Sternschildkröten verwechselbaren südafrikanischen Psammobates-Arten P. oculiferus und P. tentorius.


SpaltenschildkrkleinEtliche Landschildkrötenarten fehlen im besprochenen Buch, doch die auf dem nebenstehenden Foto gezeigte faszinierende afrikanische Spaltenschildkröte (Malacochersus tornieri) aus Kenia und Tansania ist mit einem Foto und einem kurzen Text vorgestellt. Die besondere Anpassung an Felsspalten in ihrem Lebensraum, der bis zu 1.800 m Höhe reicht, ist einzigartig. Diese Tiere bewegen sich infolge ihres dünnen und daher leichten Panzers relativ schnell und können sich so bei Gefahr in wenigen Augenblicken in Spaltenräume retten, in denen sie sich dann durch Aufblasen regelrecht verkeilen. Spaltenschildkröten, deren Pflege etwas für Spezialisten ist, gehören zu den am meisten bedrohten Tierarten weltweit und genießen einen sehr strengen Schutz. Bei der hier gezeigten Schildkröte handelt es sich um eine etwa zwei Jahre alte Nachzucht (Schlupf April 2007). Die bei Jungtieren sehr stark ausgeprägte Strahlenzeichnung verblasst jedoch etwas mit dem Alter. Spaltenschildkröten werden nicht größer als 20 cm. Foto von Horst Köhler.


Durch die Kürze der Texte auf das unbedingt Notwendige bleiben zwangsläufig wichtige Fakten auf der Strecke, so z.B. der jeweilige Artenschutzstatus, doch der Autor gesteht selbst ein, dass das Studium dieses preisgünstigen Bändchens nicht die einzige Schildkrötenlektüre sein darf. Es ist mit Hilfe der steckbriefartigen Beschreibungen auch beim besten Willen nicht möglich, die verschiedenen Unterarten der Griechischen und Maurischen Landschildkröten sicher zu unterscheiden.
Bei einigen beschriebenen Arten ist die empfohlene Temperatur im Terrarium von 45 °C unter dem Wärmespot zu hoch: man wird im natürlichen Verbreitungsraum kaum Schildkröten bei derartigen Temperaturen über längere Perioden hinweg sonnenbadend finden. Bei der Vorstellung der Ägyptischen Landschildkröte (Testudo kleinmanni) ist die angeführte Temperatur im Biotop von „bis zu 30 °C sicherlich ein Druckfehler. Denn das ist wohl nur die Temperatur, bei der sich diese Schildkröte auf die bevorstehende Sommerruhe (Aestivation) bei dann wesentlich höheren Temperaturen im Freien vorbereitet. Zu guter Letzt: bei den vorgeschlagenen Internet-Schildkrötenadressen vermisst man die Website www.schildi-online.eu, seit knapp zwei Jahren immerhin eine der erfolgreichsten werbefreien Schildkrötenseiten Deutschlands.
HK.