Zwei 18- bzw. 15-jährige Mädchen aus dem US-Bundesstaat Florida leisteten sich im Sommer 2014 eine besonders abscheuliche Grausamkeit. Sie tauchten eine noch sehr junge, in den lichten Kiefernwäldern Floridas heimische Florida-Gopher-Landschildkröte (Gopherus polyphemus) in eine brennbare Flüssigkeit und zündeten das Tier an. Als es danach noch nicht tot war, warfen sie es mehrmals heftig auf den Boden und trampelten auf ihm herum. Das Verwerfliche: die beiden Teenager filmten den gesamten Vorgang und stellten das Video in ihren Facebook account, wo es den Strafverfolgungsbehörden Floridas auffiel. Gopher-Schildkröten stehen in Florida auf der Liste der gefährdeten Arten, sind deshalb streng geschützt und dürfen ohne entsprechende Ausnahmegenehmigung nicht transportiert, gehalten oder gehandelt werden.

 

Gopher-BabykleinFlorida-Gopher-Schildkröten haben, wie diese Aufnahme zeigt, eine sehr attraktive Jugendzeichnung. Mit dem Alter verschwindet sie allerdings; die Tiere sind dann eher olivfarben bis dunkelbraun, ähnlich den adulten Maurischen Landschildkröten. Foto: Horst Köhler / Steve Beger / Wikipedia.



 

 

 

 


Die 18-Jährige muss nun mit bis zu fünf Jahren Gefängnis, alternativ mit Gefängnis und einer Geldstrafe rechnen, die 15-Jährige wird nach dem milderen Jugendstrafrecht verurteilt. Dieser Fall der Tierquälerei löste in der Bevölkerung über Florida hinaus große Empörung und Unverständnis aus. Es lief eine Unterschriftensammlung, bei der das zuständige Gericht aufgefordert wurde, die beiden Jugendlichen beim fälligen Prozess zur höchst möglichen Strafe zu verurteilen. Die dafür notwendigen 10.000 Unterschriften waren in kürzester Zeit erreicht.
Gopher-Landschildkröten werden bis zu etwa 70 Jahren alt und bis zu 28 cm groß (Carapax-Länge). Bekannt sind sie vor allem deswegen, weil sie riesige Höhlen graben und bewohnen, die im Mittel 4-5 m lang sind und weit unter den Erdboden reichen. Diese Höhlen werden auch von anderen Tieren mitbenutzt. Gopher-Schildkröten gelten als weitgehend standorttreu; häufig findet man ihre Gelegegruben rund um den Eingangsbereich ihrer Höhlen.
H.K. (15. Oktober 2014)

 

 

 

Buchbesprechung Wagemann kleinvon Marco Wagemann

96 Seiten, 130 Farbfotos, geb., Format 17,5 x 22 cm, Dähne Verlag GmbH, Ettlingen, 2014,  ISBN 978-3-935175-96-8, Preis € 14,80

Wieder ist ein reich und gut illustriertes kleines Schildkröten-Einsteigerbuch zum erschwinglichen Preis und in einem praktischen, handlichen Format erschienen – offensichtlich muss jeder Verlag einen solchen Titel in seinem Portfolio haben. Insofern darf man von diesem Band auch nicht sensationell Neues erwarten, zumal fast alle Schildkrötenbücher der letzten 10 Jahre ähnlichen Inhalts sind und neuere Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der Schildkröten-Herpetologie, die es durchaus gibt, kaum oder gar nicht berücksichtigen - leider, muss man sagen.

Die Hauptkapitel des Bandes lauten: Die Gattung Testudo; Vor dem Kauf; Artgerechte und naturnahe Haltung; Was fressen Schildkröten? Überwinterung; Fortpflanzung und Zucht. Dazu kommt noch ein kurzer Anhang über Meldepflicht und Fotodokumentation sowie eine  Seite mit weiterführender Literatur (hier fehlt u.a. das Buch „Aufzucht europäischer Landschildkröten-Babys“) und hilfreiche Websiten (wobei die populäre Website www.schildi-online.eu ebenfalls nicht aufgeführt ist).

Der Text von Herrn Wagemann ist nachvollziehbar und verständlich geschrieben und wird durch die vielen Abbildungen in angenehmer Weise aufgelockert. Nur die freigestellten Schildkröten-Aufnahmen vermögen den Rezensenten nicht ganz zu überzeugen. Für Schildkröten-Liebhaber, die vor der Anschaffung einer europäischen Landschildkröte stehen und noch kein Schildkrötenbuch besitzen, ist dieses Druckwerk eine lohnenswerte Anschaffung, auch wenn sich der Schildkrötenfreund mehr brauchbare Ratschläge im Falle des Auftretens von Krankheiten wünschen dürfte. Denn man muss durchaus nicht wegen jeden Niesens einer Schildkröte gleich zum Tierarzt gehen. Und: viele Tierärzte sind keine Spezialisten für Reptilien.

Auch wenn das Buch einen guten Gesamteindruck hinterlässt, trotzdem an dieser Stelle einige Anmerkungen: Die auf S. 7 abgebildete Riesenschildkröte ist nach Auffassung des Rezensenten keine Galapagos-Schildkröte. Eine Höckerbildung ist nicht immer die Folge einer falschen Haltung, sondern oft einer zu trockenen Aufzucht der Schlüpflinge in den ersten Lebenswochen und –Monaten geschuldet (S. 26), also primär ein Fehler des Züchters. Dass Schildkröten im natürlichen Verbreitungsraum durchschnittlich 80-85 m täglich zurücklegen (S. 31), ist eine nicht belastbare Aussage, siehe z.B. bei H. Köhler: „Über Bewegungsradien und Ruhepausen wild lebender maurischer Landschildkröten“, Schildkröten Im Fokus 6 (1), 2009; siehe auch nebenstehendes Bild.

Wegstrecke kleinErgebnis der Vermessung der zurückgelegten Wegstrecke einer wild lebenden Maurischen Landschildkröte (Testudo graeca ibera) in der Südtürkei Anfang Juni nach H. Köhler, hier mit Signalband und einem 2 m langen Meterstab gekennzeichnet. Das ausgewachsene Weibchen legte zwischen 7.30 und 12.40 Uhr Ortszeit, also innerhalb von 5 Stunden, insgesamt nur etwas über 3 m zurück, wobei die direkte Laufstrecke sogar nur 2,5 m betrug. Ab 12.40 Uhr ruhte die Schildkröte dösend bei 35 °C im Schatten. Die Beobachtung wurde daraufhin abgebrochen. Foto von Horst Köhler.

Die auf S. 40 empfohlenen äußerst intensiven UVB-Strahler sind nicht unbedingt ideal für die Schildkrötenpflege (und übrigens auch nicht dafür entwickelt), und dass im (Innen-) Gehege Sonnenplätze mit Temperaturen bis 45 °C bereitgestellt werden sollen, wird zwar in der allgemeinen Schildkrötenliteratur seit vielen Jahren fast überall propagiert, ist aber angesichts der Tatsache, dass damit bereits letale Temperaturbereiche zumindest für europäische Landschildkröten erreicht werden, unverständlich und widerspricht vor allem den Beobachtungen in der Natur. Auch die Überwinterung von Schildkröten im Kühlschrank (S. 65) ist lange nicht so artgerecht und so sicher wie im Text angegeben, weil sie oft zu kalt und zu feucht erfolgt.

Auf S. 78 findet sich die Empfehlung, geborgene Schildkröteneier im heimischen Gehege sofort an der obersten Stelle zu markieren und in keinem Fall zu verdrehen. Da im Mai und Juni einstellige Nachttemperaturen nicht selten sind, wird der Züchter in der Regel die vergrabenen Eier noch am Tag des Ablegens ausgraben, um sie in den Inkubator zu überführen. In diesem Fall spielt es keine Rolle, wenn die Eier verdreht werden, sind sie doch erst wenige Stunden zuvor regelrecht in die Nisthöhle gekullert. Und noch ein Hinweis zur abgebildeten Fotodokumentation auf S. 95: die für den Rezensenten zuständige Untere Naturschutzbehörde würde derart unscharfe Nahaufnahmen nicht akzeptieren! Auch wenn der bearbeitende Beamte einen gewissen Entscheidungsspielraum hat, sollte der Züchter derartige Fotos nicht unbedingt mit dem Handy machen.

Horst Köhler

 

Dieser Beitrag wurde am 8. Juni 2014 online gestellt.

Vorgestern, am Sonntag den 24. Juni 2012, fanden Tierpfleger der Charles Darwin Research Station auf der Galapagos-Insel Santa Cruz die berühmte männliche Riesenschildkröte "Lonesome George" (deutsch: "Einsamer Georg") tot in seinem Gehege. Bei diesem etwa 1 m großen und rund 90 kg schweren Tier handelt es sich um den letzten Verteter bzw. Überlebenden der Unterart Chelonoidis nigra abingdonii (früher: Geochelone nigra abingdonii). "Lonesome George", eine Sattel-Schildkröte, wurde im Jahr 1971 von Joseph Vagvolgyi und seiner Frau auf der nördlichsten Galapagos-Insel Pinta entdeckt, wo ihm Tausende von Ziegen als Nahrungskonkurrenten den Lebensraum streitig machten. Trotz sorgfältiger Suche auf der Insel konnten keine weiteren Vertreter dieser Unterart gefunden werden. Im Zuge der Ausrottung dieser von Menschen auf Pinta eingeführten Ziegen, man spricht von etwa 26.000 abgeschossenen Tieren, wurde "Lonesome George" als weltweit einzige Schildkröte dieser Unterart ein Jahr später in die Charles Darwin Research Station auf Santa Cruz gebracht. Dort bezog das Männchen sein eigenes Gehege (siehe das Foto im Beitrag "Doch keine Vaterschaft für die Galagos-Riesenschildkröte "Lonesome George" vom 20.11.2008 mit Nachtrag vom 9.3.2009 in der Rubrik "Aktuelles" dieser Website). Obwohl man mehrfach versucht hat, es mit verschiedenen weiblichen Tieren nahe verwandter anderer Unterarten von der Insel Isabela vom Wolf-Krater zu verpaaren, zeugte "Lonesome George" zum großen Bedauern der Biologen und Herpetologen keine Nachkommen - obwohl er im "besten Schildkrötenalter" war: die Eier, die die Weibchen in seinem Gehege absetzten, erwiesen sich alle als unbefruchtet. Auch weitere Versuche, "Lonsesome George" mit Weibchen der Insel Esoagnola zu verpaaren, misslangen. "George" erreichte weder eine außergewöhnliche Größe, noch ein besonders hohes Gewicht.

LonesomeGeorgeklein
Horst Köhler mit einem Bild von "Lonesome George" auf seinem T-Shirt neben einer semi-adulten Aldabra-Riesenschildkröte auf der Insel Changuu Island im Indischen Ozean. Foto: privat.

 

Damit ist eine weitere Riesenschildkröten-Unterart allein durch menschlichen Einfluss (Seefahrer im 19. Jahrhundert; Einschleppung von Fressfeinden auf den von Riesenschildkröten besiedelten Inseln) ausgestorben. Von ursprünglich 15 Arten der Galapagos-Riesenschildkröten stehen jetzt fünf Vertreter auf der Liste der ausgestorbenen Arten, nämlich die der Inseln Santiago, Santa Fé, Fernandina, Floreana und jetzt Pinta.
Mein Galapagos-T-Shirt mit einem Bild von "George" (siehe Foto), das ich gerne beim Sport anziehe, wird mich noch länger an "Lonesome George" erinnern...

 

Horst Köhler (26. Juni 2012)

Eine treue Besucherin unserer Schildkrötenseite hat uns letzte Woche freundlicherweise folgenden Vorfall mit einer Krähe geschildert:
Die etwa 16 Jahre alte und etwa 15 cm lange nordafrikanische Maurische Landschildkröte "Attila" ihrer Freundin wurde vor einigen Tagen in ihrem Gehege im häuslichen Grundstück, das in Waldnähe gelegen ist, von einer Krähe angefallen und ziemlich stark verletzt. Die Krähe hackte in den Bereich der Vorderfußgelenke und in das Ende eines Hinterfußes; das Tier blutete dadurch stark. Wäre die Besitzerin nicht zufällig dazugekommen, hätte man "Attila" unter Umständen einschläfern müssen. Die verletzte Schildkröte wurde nach einer Desinfektion sofort mit einer Zinkpaste behandelt und diese Salben-Behandlung zweimal täglich wiederholt. Die Salbe fördert die Heilung und dichtet die Wunden ab. Eine Wundinfektion gab es nicht und "Attila" scheint sich gut zu erholen.
Die Schildkrötenbesitzerin hat nun ihr Gehege mit einem Hasengitter gegen weitere Vögelattacken abgedeckt.In ihrer Gegend gibt es viele Krähen, die jetzt ihre Brut versorgen und vielleicht deshalb gelegentlich besonders rabiat sind.
In meinem Schildkrötenbuch "Aufzucht europäischer Landschildkröten-Babys" habe ich bereits vor Vögeln als mögliche Fressfeinde von Schildkröten gewarnt, doch in diesem Zusammenhang eher an den Raub von Schildkröten-Schlüpflingen in nicht abgedeckten Kleingehegen gedacht. Die hier geschilderte Beobachtung zeigt jedoch, dass (größere) Vögel durchaus auch Schildkröten gefährlich werden können, die schon einige 100 g wiegen.
                                                                                                                                                           Horst Köhler

 

Dieser Beitrag wurde am 18. Juni 2012 online gestellt.

von Horst Köhler, Friedberg


Jedes Jahr seit 2006 besuche ich meine Lieblings-Schildkröteninsel Changuu Island (Prison Island) in der Nähe von Sansibar, im Indischen Ozean gelegen. So durfte auch anlässlich unserer diesjährigen privaten Charity-Reise nach Tansania am Fuß des Kilimandscharo (Höhe 5.895 m), in dessen Nähe meine Frau und ich ein AIDS-Kinderheim unterstützen, im März 2011 ein Abstecher per Flugzeug nach Sansibar und von dort per Fischerboot zur Riesenschildkröteninsel nicht fehlen (Bild 1). Ich liebe diese Insel, nicht nur weil sie eine der größten Riesenschildkrötenherden weltweit beherbergt, sondern weil man nicht den Eindruck hat, in einem Zoo zu sein, weil die klimatischen Bedingungen fast identisch sind mit denen auf dem Aldabra-Atoll, dem ursprünglichen Herkunftsgebiet der Tiere, und schließlich weil Changuu Island auf ähnliche Weise entstanden ist wie Aldabra auch.
Die nur etwa 30 Minuten dauernde Bootsüberfahrt von Stonetown auf Sansibar zu Changuu Island war mit 35 US$ (nach entsprechender Verhandlung) etwas teurer als im Jahr 2010, was mit den stark gestiegenen Kraftstoffpreisen in Tansania zusammenhängt: Man mag es als Europäer nicht glauben, aber 1 l Benzin kostet in Tansania nahezu 1 Euro, und dies bei einem Durchschnitts-Monatsverdienst im Land von nur 50 Euro! Das wäre etwa so, als wenn wir in Deutschland (bei einem angenommenen Monats-Durchschnittsverdienst von 1.500 Euro) ca. 30 Euro je Liter Benzin bezahlen müssten! Diesel-Kraftstoff ist in Tansania kaum billiger. Die Taxifahrer warten mit fast leerem Tank auf Kundschaft. Sobald sie einen Fahrgast haben, erbitten sie einen Vorschuss auf den Fahrpreis, fahren als Erstes zur nächsten Tankstelle und tanken 5 oder 6 l Diesel.

 

Bild1ChanguuBild 1: Nur ungefähr 800 m lang ist die kleine Koralleninsel Changuu Island westlich von Sansibar im Indischen Ozean, die eine beachtlich große Herde von Aldabra-Riesenschildkröten beherbergt. Fliegt man vom Kilimandjaro International Airport (in der Nähe der Städte Arusha und Moshi) nach Sansibar, hat der Ortskundige - sofern er auf der richtigen Seite im Flugzeug sitzt - kurz vor dem Anflug auf den Flughafen von Sansibar einen guten Blick auf die Schildkröteninsel, die einst als Gefängnisinsel ausgebaut, dann aber nur als Quarantänestation verwendet wurde. Viele der Touristen, die die Schildkröteninsel besuchen, nehmen abschließend im türkisfarbenen Meer ein kühlendes Bad oder schnorcheln im warmen Wasser.

Wie immer, wartete mein Bootsführer am Sandstrand der kleinen Koralleninsel Changuu Island geduldig, im Boot dösend, den ganzen Tag auf mich zur Rückfahrt nach Sansibar. Er hatte ja schließlich an diesem Tag schon genug eingenommen.

Auf der im Privatbesitz befindlichen Insel hat sich in den letzten Jahren nichts Wesentliches geändert. Die Aldabra-Riesenschildkrötenherde (Dipsochelys dussumieri) umfasste im März 2011 112 Schildkröten, darunter 45 Weibchen. Von den größten Schildkröten sind zehn männlichen und acht weiblichen Geschlechts. In der Jungtier-Voliere befanden sich bei meinem Besuch drei Babys, die erst drei Wochen zuvor aufgesammelt wurden. Noch immer wird auf der Insel keine zielgerichtete Schildkröten-Nachzucht betrieben: Sich aus dem harten Boden nach oben grabende Schlüpflinge werden im Gelände eher zufällig als kontrolliert aufgesammelt. Man hat mir seitens der Inselleitung ja schon vor Jahren erklärt, dass man die Vermehrung der Tiere nicht als primäres Ziel ansieht. Bei einem Rundgang in die felsigen hinteren Bereiche der Insel mit ihren zahlreichen Verstecken, die den Besuchern normalerweise schon aus Sicherheitsgründen nicht zugänglich sind (Bild 2), entdeckte ich trotz genauer Suche keinen einzigen Schlüpfling. Ich vermute, dass die meisten von ihnen von den rabenähnlichen Vögeln gefressen, von Besuchern gestohlen werden oder durch den groben Maschendrahtzahn nach draußen schlüpfen, ins nur 10 - 20 m entfernte Meer gelangen und dabei Opfer von großen Vögeln und Raubfischen werden. Denn bei derart vielen geschlechtsreifen Tieren müsste sich die Zahl der Riesenschildkröten von Jahr zu Jahr deutlicher erhöhen.

 

Bild2ChanguuBild 2: Ich streife gerne abseits vom offiziellen Besucherrundweg alleine durch die Insel und freue mich jedes Mal, wenn ich unvermittelt auf eine einzelne Riesenschildkröte treffe, die abseits der großen Herde Ruhe oder einen Eiablageplatz oder auf dem kargen Boden nach Grünem sucht. Das Ausheben der Nisthöhle auf dem harten Korallenboden ist für die Weibchen ein regelrechter Kraftakt. Die Schatten der Bäume verschaffen den Großreptilien Linderung von der Tageshitze - im Schatten habe ich im März mittags Temperaturen von 33 °C gemessen. Noch bei keinem Besuch auf der Insel habe ich auch nur eine einzige Schildkröte für länger als ein paar Minuten an der vollen Sonne sitzen sehen.

 

Ein Grund für die stagnierende Schildkrötenzahl sei, so hörte ich auf meine entsprechende Nachfrage, dass immer wieder ausgewachsene Tiere durch umstürzende Bäume erschlagen und dabei getötet werden, allein in den vergangenen Jahren vier Schildkröten. Überlebt hat einen derartigen schweren Unfall vor langer Zeit die mit jetzt 185 Jahren älteste Aldabra-Riesenschildkröte auf Changuu Island, ein Männchen (Bild 3), das trotz seines zertrümmerten Rückenpanzers und hohen Alters heute immer noch für Nachwuchs sorgt.

Meinen Vorschlag, alte und kranke Bäume im Gelände auf ihre Standsicherheit bei etwaigen tropischen Stürmen hin zu prüfen und gegebenenfalls rechtzeitig zu fällen, nahm man zumindest zur Kenntnis…

 

Bild3ChanguuBild 3: Schon 185 Jahre alt und immer noch befruchtungsfähig ist dieser Aldabra-Schildkrötensenior trotz seines zertrümmerten Rückenpanzers, die Folge des früheren Aufpralls eines umstürzenden Baums direkt auf das Tier. Dass der Bruch damals so gut verheilt ist, zeigt, wie zäh Schildkröten sein können.

 

 

 

 

 

 

 


 

Ein Punkt hat sich gegenüber den vergangenen Jahren verbessert: Im letzten Jahr, im März 2010, hatte ich gegenüber dem afrikanischen Management der Insel noch den extrem dichten Besatz von damals 32 juvenilen Tieren in der verrosteten Jungtier-Voliere beanstandet, denn in ihr mussten alle Nachzuchten bis zu einem Alter von fünf Jahren bleiben (siehe Bild 3 in dem weiter unten in dieser Rubrik stehenden Bericht „Riesenschildkröten beim Erwachen“). Erst dann kamen sie zu den ausgewachsenen Tieren ins Freigelände. Da konnt es nicht ausbleiben, dass ein mehrjähriges Tier mit vielleicht schon 10 oder gar 15 kg Gewicht einen erst wenige Wochen alten und noch weichen Schlüpfling erdrückte. Jetzt halten sich in der Voliere nur noch Schildkröten bis höchstens drei Jahre Alter auf. Für die juvenilen und semiadulten Tiere zwischen vier und sieben Jahren hat man Platz für ein eigenes Jungtiergehege geschaffen (Bild 4 und 5). Es nützt also schon etwas, wenn man Verbesserungsvorschläge macht, auch wenn deren Realisierung dann mitunter lange auf sich warten lässt.

 

Bild 4: Zwischen vier und sieben Jahre alt sind diese juvenilen Nachzuchten, die nunmehr auf meinen früheren Bild4ChanguuVorschlag hin (ich hoffe aber, dass sich auch noch weitere europäische Schildkrötenfreunde beschwert haben) ein eigenes Freigehege auf der Insel in der Nähe des Eingangs zum Schildkrötenteil bezogen haben. Bisher waren die bereits recht schweren Tiere in einer engen Aufzucht-Voliere zusammen mit den Schlüpflingen untergebracht.

 


 

 

 

 

 

 

Bild5ChanguuBild 5: Horst Köhler mit einer etwa sechsjährigen Aldabra-Riesenschildkröte. Leider war auf der Insel keine Waage aufzutreiben, um (neben den Hauptabmessungen) das Gewicht des Tieres zu ermitteln. Diese jungen Schildkröten (siehe auch Bild 4) sind sehr glatt gewachsen, obwohl sie ihre ersten Lebensjahre in einer überdachten Voliere unter wenig optimalen Bedingungen verbringen und damit auch nur wenig direkte Sonnenbestrahlung (UVB) erhalten. Dies ist wieder ein Beispiel dafür, dass relativ geringe UVB-Dosen ausreichend sind und die UVB-Bestrahlung von Landschildkröten nicht übertrieben werden muss.



Gleich geblieben ist trotz aller Teuerungen im Lande der Eintrittspreis von 4 US$. Geöffnet für das Publikum, das aus aller Welt kommt, ist die Schildkröteninsel täglich von 8 bis 18 Uhr. Mittlerweile werden zu Spitzenzeiten bis zu 300 Besucher täglich registriert. Leider gibt es keine Möglichkeit mehr, sich bei dem feuchtwarmen Klima mit Temperaturen um 30 °C im Schatten Getränke zu kaufen, denn sowohl das Inselhotel als auch das Inselrestaurant sind bis auf Weiteres geschlossen. Der Bauzustand dieser Gebäude lässt meiner Meinung nach auf eine äußerst unsichere Zukunft schließen. Es war ja schließlich auch abzusehen, dass das Insel-Management mit seinem Plan, ein hochpreisiges Inselhotel mit Zimmerpreisen von 400 US$ je Tag zu etablieren, Schiffbruch erleiden würde. Auch die sanitären Möglichkeiten sind eingeschränkt, zumindest im Moment. Aus diesen Gründen verlassen viele Besucher die Insel schon nach einer Stunde wieder – schade eigentlich. Für den, der die Situation vor Ort kennt und seine Getränke mitbringt, ist dagegen ein mehrstündiger Aufenthalt unter den Riesenschildkröten selbst beim vierten oder fünften Besuch immer noch ein besonderes Erlebnis (Bild 6 und 7).

 

Bild6ChanguuBild 6: Zwei noch nicht ganz geschlechtsreife Aldabra-Riesenschildkröten sitzen hier in einem kleinen, künstlich angelegten und täglich mit frischem Wasser versorgtem Mini-Teich, der für mehr als 110 Riesenschildkröten für meine Begriffe viel zu klein ist.


 


 

 

 

 

 

 

Bild7Changuu

Bild 7: Nicht ganz ungefährlich war diese Situation: Ich stand nur wenige Zentimeter neben dem Weibchen (unten) und streichelte es. Plötzlich ritt das große und schwere Männchen dahinter ohne jegliche Voranzeichen oder Balztätigkeit auf (vielleicht war es ja eifersüchtig ?) und schob dabei das Weibchen auf dem an dieser Stelle etwas lockeren Boden auf mich zu. Hätte ich meinen rechten Fuß, der nur in Sandalen steckte, nicht sofort zurückgezogen, wäre er wohl mit einigen Zentnern Gewicht belastet gewesen. Bevor ich die beiden allein ließ, drückte ich noch rasch den Auslöser für diese Aufnahme. Alle Fotos bis auf Bild 5 stammen vom Verfasser von März 2011. Bild 5 machte ein afrikanischer Parkhelfer.

 

Weiterer Beitrag zum Thema Riesenschildkröten auf Changuu Island siehe „Ein Bildbericht: Riesenschildkröten beim Erwachen“ weiter unten in dieser Rubrik

 

Dieser Beitrag wurde am 27. Oktober 2011 online gestellt.